Familie sitzt noch in Kabul fest Gericht spricht Ortskraft Recht auf Visum zu
25.08.2021, 18:28 Uhr
Ein US-Marine versperrt Afghanen den Zugang zum Kabuler Flughafen: Ohne Visum ist kein Durchkommen.
(Foto: picture alliance/dpa/Planet Pix via ZUMA Press Wire)
Öffentlich betont die Bundesregierung, dass die strikten Anerkennungsregeln für Ortskräfte gelockert worden sind. Doch das Außenministerium versagt einem früheren Mitarbeiter des Bundesentwicklungsministeriums ein Visum. Im Eilverfahren spricht ihm das Berliner Verwaltungsgericht das Einreiserecht zu.
Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Auswärtige Amt in einem Eilverfahren zur Erteilung eines Visums an eine früher für die deutsche Entwicklungshilfegesellschaft GIZ tätige afghanische Ortskraft und die engere Familie des Manns verpflichtet. Zur Begründung verwiesen die Richter auf aktuelle Aufnahmekriterien des Außenamts und öffentliche Erklärungen von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller von der CSU.
Angesichts der "außergewöhnlichen Umstände" nach dem Vormarsch der radikalislamischen Taliban reiche dieses bereits aus, um das Außenministerium in einem Eilverfahren zur Erteilung eines Visums zu verpflichten, erklärte das Gericht. Demnach hält sich der Mann mit seiner Ehefrau und drei Kindern in Kabul auf. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Es kann noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) eingelegt werden.
Das Gericht verwies auf die durch die dramatische Lage in Afghanistan entstandene besondere Dringlichkeit. "Schon aus der Machtübernahme der Taliban und der hieraus erwachsenden Gefahr für Ortskräfte" ergebe sich ein Anspruch des Klägers auf eine sofortige Klärung, betonten die Richter. (Az. VG 10 L 285/21 V)
Auswärtiges Amt beruft sich auf Ermessensspielräume
Vom Kabuler Flughafen fliegen Deutschland und viele andere Länder in einer dramatischen Evakuierungsaktion eigene Staatsbürger und afghanische Ortskräfte aus. Das Zeitfenster für die Luftbrücke schließt sich jedoch. Die USA, die den militärischen Schutz der Operation maßgeblich sicherstellen, kündigten ihren Abzug bis zum 31. August an. Deutschland und andere Staaten bekräftigten bereits, ihre Rettungsmissionen deshalb ebenfalls einzustellen.
Laut Gericht war der Mann bis 2017 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig, die sehr häufig im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums arbeitet. Seinen Antrag auf Visaerteilung lehnte das Außenamt Anfang August aber ab, weil dessen Tätigkeit bei der GIZ 2017 endete. Das Auswärtige Amt verwies demnach auf Ermessensspielräume. Es könne nicht zur Aufnahme jedes bedrohten afghanischen Bürgers verpflichtet werden.
"Kein beliebiger afghanischer Staatsbürger"
Diese Begründung wiesen die Verwaltungsrichter zurück. Es handle sich bei den Klägern ausdrücklich "nicht um beliebige afghanische Staatsangehörige, sondern um eine Ortskraft und dessen Familie". Sie erfüllten die Kriterien für die Visaerteilung, wie sie jüngst von den zuständigen Ministerien kommuniziert worden sei. So seien die Aufnahmebedingungen vom Auswärtigen Amt dahingehend geändert worden, dass eine Ortskrafttätigkeit bis 2013 reiche.
Auch die Tatsache, dass zwei der Kinder des Manns volljährig seien, stehe einem Aufnahmeanspruch nicht entgegen. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auf eine Ankündigung von Entwicklungsminister Müller, der jüngst öffentlich eine Änderung des Grundsatzes angekündigt habe, nur minderjährigen Kindern von Ortskräften eine Einreise zu erlauben.
Quelle: ntv.de, mau/AFP