Partei nimmt Ampel-Vertrag an Grüne finden Posten für verhinderten Hofreiter
06.12.2021, 17:20 Uhr
Als einzige der Ampelparteien befragen die Grünen ihre Mitglieder zum Koalitionsvertrag. 86 Prozent Zustimmung täuschen kaum über eine schwache Beteiligung hinweg. Dafür scheint ein Personalkonflikt gelöst zu sein.
Nachdem Cem Özdemir und nicht Anton Hofreiter Bundesagrarminister werden soll, ist die unmittelbare Zukunft des scheidenden Fraktionsvorsitzenden Hofreiter geklärt. Wie RTL und ntv aus Fraktionskreisen erfuhren, soll der Bayer Vorsitzender des Europaausschusses werden. Das ist zwar nicht mit dem von Hofreiter erhofften Kabinettsposten zu vergleichen. Als Ausschussvorsitzender behält Hofreiter aber Gewicht in der Fraktion und schlägt damit ausgerechnet den Weg ein, den Özdemir gegangen war: Der diesmal direktgewählte Stuttgarter hatte nach dem enttäuschenden Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl 2017 den Parteivorsitz abgegeben und wurde Vorsitzender des Verkehrsausschusses, wo er sich als Fachpolitiker einen Namen machte.
"Es ist für mich ein ganz besonders emotionaler Moment", sagte Özdemir, als die Partei ihre Ministerinnen und Minister für die kommende Bundesregierung vorstellte. "Mir ist es nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich mal hier stehe als designierter Minister dieses Landes", sagte Özdemir, dessen Eltern im Rahmen des Anwerbeabkommens mit der Türkei vor 60 Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen waren.
Baerbock und Spiegel die Jüngsten
Zu dem Konflikt um Hofreiter und Özdemir sagte die Vorsitzende Annalena Baerbock, der Auswahlprozess sei auch für die Grünen nicht leicht gewesen: "Dann ruckelt es im Parteileben". Entscheidend sei es aber, Konflikte offen anzusprechen. So wollten es die Grünen auch in der Regierung handhaben. Zumindest nach außen hin war der Personalkonflikt aber nicht offen angesprochen worden. Der wegen Hofreiters Ausbootung enttäuschte linke Flügel hatte dagegen intern wie extern sein Missfallen kundgetan.
"Ich würde sagen, wir haben das vielfältige Deutschland abgebildet, in Kompetenz und in Person", sagte die kommende Außenministerin Baerbock. Mit der designierten Bundesumweltministerin Steffi Lemke stellen die Grünen neben der Sozialdemokratin Klara Geywitz eine von zwei Ostdeutschen im Kabinett. Anne Spiegel, die das Familienministerium übernehmen soll, ist mit Baerbock die jüngste Ministerin im Kabinett. Beide werden am 15. Dezember 41 Jahre alt.
Die 66-jährige Claudia Roth ist als kommende Staatssekretärin für Kultur die älteste im Bundeskabinett, und auch die einzige aus Bayern, nachdem die CSU 16 Jahre am Stück mehrere Ministerposten für Männer und Frauen aus dem Freistaat beansprucht hatte. "Ich habe nicht vor, bayerische Interessen in den Vordergrund zu stellen", sagte Roth. "Aber freuen tue ich mich schon darüber." Es sei ein Irrglaube, dass die Interessen Bayerns und der CSU deckungsgleich seien.
Nur 48 Prozent der Mitglieder für Ampel-Vertrag
Einen Tag vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zeigten sich die Grünen-Spitzenvertreter vorfreudig auf ihr Regierungswirken. Das Abstimmungsergebnis der Mitgliederbefragung werteten sie als Rückenwind. 86 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen seien ein "solides" Ergebnis, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der als Staatssekretär in Habecks Wirtschafts- und Klimaministerium wechselt. Auf die Gesamtzahl der wahlberechtigten 125.125 Mitglieder entsprechen 61.164 Ja-Stimmen aber nur einem Anteil von 48 Prozent.
Die Wahlbeteiligung von 57 Prozent deutet daraufhin, dass sich der Enthusiasmus mancher Mitglieder in Grenzen hält. Dass ein deutliches Ja absehbar war, mag ebenfalls die Beteiligung an der niedrigschwelligen Online-Wahl gebremst haben. Roth, die die Partei von allen Grünen im Kabinett am längsten kennt, beharrte dennoch auf einem "mega" Ergebnis. "86 Prozent: Chapeau!", sagte die Frau aus Augsburg.
Quelle: ntv.de