Merz sieht keine Asylgründe mehr Grüne widersprechen Kanzler entschieden bei Umgang mit Syrern
04.11.2025, 10:32 Uhr Artikel anhören
         			
         		Könnten alle Syrer zurück ins Heimatland? Ja, sagt Kanzler Merz. Außenminister Wadephul scheint sich nach einem Syrien-Besuch da nicht so sicher. Von der SPD kommt Kritik, die Grünen sind überzeugt: Dem Land fehle nach dem Krieg die nötige Infrastruktur - auch für die Aufnahme von Straftätern.
In der Debatte über die Abschiebung von nach Deutschland geflohenen Syrern stellen sich die Grünen hinter Außenminister Johann Wadephul. "Der Bundesaußenminister war vor Ort und hat sich angeschaut, wie zerstörerisch die Lage in Syrien ist und welche Möglichkeiten es dort vor Ort gäbe", sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, in der ntv-Sendung Frühstart. Fakt sei, "dass über die Hälfte der Krankenhäuser nicht mehr funktionieren, dass die Infrastruktur dann natürlich nach Jahren des Bürgerkrieges vollkommen zusammengebrochen ist".
  Teile von Damaskus sind völlig zerstört, andere Städte Syriens ebenfalls. Reicht das als Fluchtgrund? Oder ist entscheidend, dass die Kampfhandlungen im Land vorüber sind?
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich am Montagabend für eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat ausgesprochen: "Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen." Er setze vor allem auf freiwillige Rückkehr, ohne diese Menschen sei der Wiederaufbau Syriens nicht möglich.
"Diejenigen, die sich dann in Deutschland weigern, in das Land zurückzukehren, die können wir selbstverständlich auch in Zukunft abschieben", sagte Merz. Er widersprach der Darstellung, Wadephul habe sich grundsätzlich gegen Abschiebungen ausgesprochen. Das Thema spaltet die schwarz-rote Regierungskoalition, weil viele CDU- und CSU-Politiker wie Merz keinen Asylgrund mehr für Syrer in Deutschland sehen. Aus der SPD kam dagegen Lob für Wadephuls Skepsis, was eine baldige Rückkehr der Syrer in Deutschland angeht.
Anstelle von Abschiebungen warb Emmerich für ein Programm nach türkischem Vorbild. In die Türkei geflohene Syrer könnten einmal die Lage in der Heimat anschauen, prüfen "ob das eigene Haus noch steht". Anschließend könnten sie zurück in der Türkei über eine Rückkehr nach Syrien nachdenken. "Die Situation hier in Deutschland ist, dass das Bundesinnenministerium solche Programme nicht machen möchte. Und genau so etwas wäre doch eine Möglichkeit, um hier ganz sachlich darüber zu reden", warb Emmerich für die Unterstützung freiwilliger Rückkehr.
Emmerich: Auch Straftäter nicht eben so abzuschieben
Sogar die Abschiebung von Straftätern nach Syrien hält Emmerich für juristisch schwierig. "Die schwersten Straftäter sind gar nicht so viele und auch da ist erst mal die Frage: Wie ist die Lage in Syrien wirklich?", sagte der Grünen-Politiker. Bei Straftätern sei zunächst relevant, dass sie ihre Strafe abgesessen haben. Erst später stelle sich die Frage nach der Abschiebung.
"Und da ist es doch so, dass wenn zum Beispiel in Syrien nicht dargestellt werden kann, dass auch bei Straftätern eine Form der Perspektive in Syrien noch möglich ist, dass die da auch entsprechend versorgt werden können, dann ist es etwas, was nachher auch vor Recht und Gesetz nicht standhält", erklärte der Grünen-Politiker.
Gerichte könnten entsprechende Abschiebungen kassieren, weil auch verurteilte Straftäter Rechte haben, so Emmerich. "Das ist doch auch etwas, was gar nicht mehr Ordnung schafft und auch nicht mehr Sicherheit, wenn wir hier irgendwelche instabilen Verhältnisse haben bei unseren politischen Maßnahmen."
Fast eine Million Syrer in Deutschland
In der Rückkehrdebatte geht es um unterschiedliche Gruppen von Syrern. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom August halten sich 920 Personen in Deutschland auf, die ausreisepflichtig und ohne Duldungsstatus sind. Besonders schnell abschieben will die Bundesregierung diejenigen, die straffällig geworden sind. Seit 2012 sind alle Rückführungen wegen der Sicherheitslage im Land ausgesetzt. Bei dem größten Teil der 951.406 Menschen aus Syrien in Deutschland geht es zunächst um eine freiwillige Rückkehr. Zumal rund ein Drittel hiervon minderjährig ist. Viele dieser jungen Syrer kennen ihr Herkunftsland nicht.
Zwischen 2015 und 2024 wurden zudem 163.000 Syrerinnen und Syrer eingebürgert, davon rund die Hälfte im vergangenen Jahr. Für das laufende Jahr dürfte noch einmal eine hohe fünfstellige Anzahl hinzukommen. Entsprechend mindert sich die Zahl von Menschen, die womöglich irgendwann Deutschland unfreiwillig verlassen müssen.
In dem arabischen Land wurde vor fast einem Jahr der langjährige Machthaber Baschar al-Assad durch die Islamistenmiliz HTS gestürzt, angeführt von al-Scharaa. Dieser wurde zum Übergangspräsidenten ernannt und steuert das Land seitdem hin zu einer Öffnung und Annäherung an den Westen. Syrischen Staatsmedien zufolge will er kommende Woche Washington besuchen.
Quelle: ntv.de, shu/dpa