Politik

Können Syrer heimkehren? Warum Wadephul völlig anders klingt als Merz und Dobrindt

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Was Wadephul in Damaskus sagte, sorgte daheim für Irritation.

Was Wadephul in Damaskus sagte, sorgte daheim für Irritation.

(Foto: picture alliance / AA/photothek.de)

Mit einer Äußerung zur Rückkehr von Syrern in Deutschland tritt Außenminister Wadephul eine Debatte über Abschiebungen los. Die CDU bemüht sich, den Eindruck von Streit zu zerstreuen. Doch Wadephul stößt eine wichtige Frage an.

Carsten Linnemann ist eigentlich CDU-Generalsekretär und Thorsten Frei Kanzleramtsminister. Aber in den vergangenen 24 Stunden waren die zwei vor allem Feuerwehrmänner. Sie versuchten einen Brand zu löschen, den Außenminister Johann Wadephul am Freitag in Syrien entzündet hatte - mit einer Äußerung über die Rückkehr von Syrern aus Deutschland in ihr Heimatland. "Ich glaube, das ist zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich, weil sehr viel Infrastruktur zerstört ist", sagte er in Damaskus. "Das wird nicht sehr viele dazu bewegen, kurzfristig diesen Schritt zu machen", so der CDU-Politiker.

Das war offenbar ein Trigger-Satz für Teile von CDU und CSU. Denn seit Jahren versucht die Union, als knallharter Sheriff in Sachen Migration dazustehen und bloß nicht mit der Willkommenskultur der Merkel-Zeit in Verbindung gebracht zu werden. Sven Schulze, CDU-Chef in Sachsen-Anhalt, sagte, es müsse an einer Strategie zur schnellen Rückkehr dieser Menschen gearbeitet werden. "Ein in Teilen zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland sind kein Grund, daran nicht zu arbeiten." Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Unionsfraktionschef Günther Krings.

Wadephuls Satz wurde also so verstanden: Nach Syrien kann man eigentlich nicht abschieben. Genau so bemühte sich AfD-Chefin Alice Weidel den Satz misszuverstehen. Wadephul habe gesagt, Syrern sei eine Rückkehr nicht zuzumuten. Was ein Schlag ins Gesicht der Opfer islamistischer Gewalt sei. Gerade erst wurde ein Syrer in Berlin festgenommen, weil er einen Anschlag vorbereitet haben soll.

Unterschied zwischen Rückkehr und Rückführung

Doch das hatte Wadephul gar nicht gesagt. Wadephul hatte sich ziemlich eindeutig auf eine freiwillige Rückkehr von Syrern bezogen. Und was er sagte, ergab Sinn. Die Anreize, freiwillig in ein zerstörtes Land zurückzukehren sind tatsächlich gering. Einer seiner Sprecher unterstrich das am Vormittag in der Bundespressekonferenz. Rückkehr sei freiwillig, Rückführung sei zwangsweise.

Am Montagmorgen bemühten sich nun Linnemann bei ntv und Frei im Deutschlandfunk, die Wogen zu glätten. Der Generalsekretär sprach von einer Scheindebatte. Der Kanzleramtsminister sagte: "Es geht jetzt um die Rückführungen von Straftätern und Gefährdern". Genau das hatte Wadephul in der gleichen Pressekonferenz auch gesagt: Die müssten nach Syrien zurückgeführt werden.

Also viel Lärm um nichts? Nicht ganz. Es lohnt sich schon, Wadephul genau zuzuhören. Denn auf der Pressekonferenz in Damaskus klang er komplett anders als Alexander Dobrindt oder Friedrich Merz in dieser Frage. Eher erinnerte er an seine Amtsvorgängerin Annalena Baerbock von den Grünen.

Schwere Straftäter seien "ganz wenige Ausnahmefälle" und prägten den Austausch von Menschen zwischen Syrien und Deutschland nicht, sagte er. "Jeder und jede, die nach Syrien zurückkehren wollen, werden von uns mit einer Träne verabschiedet", sagte er außerdem. In seinem Statement ergab das Sinn - denn zuvor hatte er die jungen Menschen als "riesiges Kapital" gelobt, das "natürlich auch Syrien nutzen möchte". Sie seien gut in Deutschland ausgebildet, hätten zwei Kulturen kennengelernt, könnten Deutsch und teils auch Englisch.

Schieben wir die Richtigen ab?

Das hatte mit den Merz-Äußerungen der Stadtbild-Debatte wenig zu tun. Der hatte ausdrücklich Abschiebungen als Mittel genannt, um ebenjenes Stadtbild zu ändern. Später hatte er dann noch gesagt, Töchter könnten einem genauer erklären, was er meinte. Da kann man sich schon fragen, ob Wadephul, Merz und Dobrindt wirklich das Gleiche wollen.

So deutete Wadephul zumindest implizit eine wichtige Frage an: Schieben wir eigentlich die Richtigen ab? Denn Experten sagen es immer wieder: Regelmäßig trifft es jene, die sich an ihren Meldeadressen aufhalten, Arbeit haben und Kinder in der Schule haben - kurzum: jene gut Integrierten, die sich an die Regeln halten. Es finden sich etliche solcher Berichte in den Medien. Nicht zuletzt arbeiten 7000 syrische Ärzte in Deutschland.

Will man die alle wieder loswerden, wenn Syrien befriedet ist? Während andere, teils sehr gefährliche Männer, sich Abschiebungen regelmäßig und mit krimineller Energie entziehen? Das wäre jedenfalls ein ziemlich düsteres Szenario: Im Eifer möglichst viele abzuschieben, werden Erzieherinnen, Maler und Ärzte herausgebeten und die echten Problemfälle bleiben, weil sie sich geschickt dem Zugriff entziehen. Aktuell stellt sich die Frage so allerdings noch gar nicht, da bislang die meisten Syrer ein Bleiberecht haben.

Doch der Frage weicht die CDU aus. Kriegsflüchtlinge aus Syrien hätten in Deutschland Schutz auf Zeit bekommen, sagte Frei dem Deutschlandfunk. "Deshalb ist es das Normalste von der Welt, dass diese Menschen in ihr Heimatland wieder zurückkehren." In Deutschland befänden sich etwa 950.000 Syrer und Syrerinnen. Wenn ein Land wieder befriedet sei, müsste ein Großteil dieser Menschen wieder in die Heimat zurückkehren, sagte er. Dies sei auch für den Wiederaufbau vor Ort nötig. Ähnlich äußerte sich Linnemann. Es klang nicht so, als ob sie sie wie Wadephul "mit einer Träne" verabschieden würden.

Quelle: ntv.de

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