Politik

"Gesundes Selbstbewusstsein" Gutachter: Zschäpe ist nicht psychisch krank

Das Gutachten über Beate Zschäpe ist auch wichtig für eine mögliche Sicherheitsverwahrung.

Das Gutachten über Beate Zschäpe ist auch wichtig für eine mögliche Sicherheitsverwahrung.

(Foto: dpa)

Ob Beate Zschäpe schuldfähig ist, könnte im NSU-Prozess entscheidend für das Strafmaß sein. Ein Psychiater legt nun ein Gutachten vor. Er hält sie für egozentrisch. Eine gravierende seelische Störung erkennt er bei ihr aber nicht.

Im NSU-Prozess hat der psychiatrische Sachverständige mit seiner Beurteilung von Beate Zschäpe begonnen. Henning Saß bescheinigte der Angeklagten Hinweise auf "egozentrische" Verhaltensweisen. Sie neige dazu, Verantwortung abzuschieben und eigenes Verhalten zu verharmlosen. Gleichzeitig verfüge sie über ein "gesundes Selbstbewusstsein". Der Psychiater betonte aber, dass er keine wesentlichen Gesundheitsstörungen bei Zschäpe festgestellt habe.

Das Gericht hatte Saß beauftragt, die Gefährlichkeit und Schuldfähigkeit der 42-Jährigen zu beurteilen. Seine Befunde soll er am Mittwoch vortragen; das Gericht unterbrach seinen Vortrag am Dienstagabend. In einem Entwurf, den Saß an das Gericht geschickt hatte, hieß es bereits, er halte Zschäpe für schuldfähig. Vorwürfe von Zschäpes Verteidigung, es handle sich nur um eine Ferndiagnose, wies Saß als "tendenziös und irreführend" zurück.

Saß schilderte zahlreiche Beobachtungen, aus denen er seine Bewertung ableitet. Zur Verfügung standen ihm seine Beobachtungen aus den meisten der bisher 336 Prozesstage, Zeugenaussagen, Zschäpes eigene Erklärungen sowie Akten. Zwar habe sich Zschäpe geweigert, mit ihm zu sprechen, dennoch verfüge er über viel Material, sagte Saß.

Daraus ersehe er etwa Zschäpes Fähigkeiten für das jahrelange konspirative Leben im Untergrund. Saß sagte, sie habe "erfolgreich Grundsätze eingehalten der Heimlichkeit, des Verbergens, des Täuschens". Sie habe sich als "liebe, gute Nachbarin" präsentiert, "die von ihrer Gesinnung nichts preisgegeben hat".

Die Männer "im Griff" gehabt

Saß zitierte außerdem Zeugen, laut denen Zschäpe über ein "gesundes Selbstbewusstsein" verfüge und ihre beiden mit ihr im Untergrund lebenden Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt "im Griff gehabt" habe. Derartiges spreche für "Stärke und Selbstbewusstsein nach außen und gegenüber männlichen Partnern". Ein anderer Zeuge habe davon gesprochen, Zschäpe habe sich wie eine "Ehefrau" verhalten, "nur für zwei Männer".

Auf Grundlage der Expertise wird das Gericht in seinem Urteil entscheiden, ob bei der 42-Jährigen während der NSU-Mordserie mit zehn Toten eine volle Schuldfähigkeit vorlag und ob bei ihr eine Wiederholungsgefahr vorliegt. Sollte der Gutachter eine Wiederholungsgefahr sehen, könnte das Gericht auch entscheiden, dass Zschäpe in Sicherungsverwahrung genommen wird und damit eine mögliche Haftstrafe erheblich verlängert wird.

Der Streit um Saß' Gutachten war auch an diesem Dienstag weitergegangen. In den vergangenen Wochen hatten Zschäpes Verteidiger mehrere Anträge gestellt und darin Verstöße etwa gegen Grundrechte der Angeklagten geltend gemacht. Das Gericht hatte alle Anträge abgelehnt. Die Anwälte scheiterten auch mit ihrer Forderung, Saß' Bericht als Tonaufnahme mitzuschneiden.

Die 42-Jährige ist wegen Mittäterschaft an einer Serie von Morden und Sprengstoffanschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" angeklagt. Das Motiv für fast alle Verbrechen soll Rassenhass gewesen sein.

Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa

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