"Achillesferse" kein Problem Gutachter heben Daumen für Übergewinnsteuer
29.07.2022, 18:00 Uhr
Insbesondere Energiekonzerne profitieren von der geopolitischen Lage.
(Foto: dpa)
Mehrere europäische Länder haben bereits eine Abgabe für Unternehmen eingeführt, die von Kriegsfolgen profitieren. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages halten eine Übergewinnsteuer auch in Deutschland für möglich - "angesichts der offenkundigen aktuellen Entwicklungen".
Eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen, wie sie Italien wegen des Ukraine-Kriegs eingeführt hat, wäre einem Gutachten zufolge grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Dies gehe aus einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags hervor, berichtete der "Spiegel". Der Staat müsste demnach darlegen, dass betroffene Unternehmen "unverdiente Gewinne" erzielt haben und sich diese bestimmen lassen.
"Angesichts der offenkundigen aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten scheint dies nicht ausgeschlossen", zitierte der "Spiegel" aus dem Papier. Eine Beschränkung auf Händler von Strom, Gas und Öl wie in Italien erscheine "vor dem Hintergrund der gegenwärtigen besonderen Knappheits- und Preisbedingungen auf den Energiemärkten jedenfalls nicht willkürlich".
Neben Italien haben unter anderem auch Großbritannien, Griechenland, Rumänien und Ungarn besondere Abgaben auf Krisengewinne eingeführt, in Belgien und Spanien wurden sie angekündigt. Bundesfinanzminister Christian Lindner lehnt eine solche Steuer hingegen ab - unter anderem, weil diese nur manche Unternehmen treffen würde und Übergewinne im Steuerrecht nicht definiert seien.
Vergleich mit Gewerbesteuer
In der Berechnung des Übergewinns liege "die Achillesferse" des Konzepts, schreiben auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, eine exakte Bestimmung "dürfte nahezu unmöglich sein". Allerdings arbeite der Fiskus auch an anderen Stellen mit vereinfachenden Typisierungen und Pauschalierungen. Die Gewerbesteuer treffe schon heute nur einen Teil der Unternehmer, heißt es demnach in dem Gutachten. Die Übergewinnsteuer könnte wie der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben werden. Der Finanzbedarf lasse sich mit der Corona-Pandemie und "wohl auch mit den durch den Ukraine-Krieg und dessen Folgen verbundenen Belastungen" begründen.
Bau-Staatssekretärin Cansel Kiziltepe hält die Besteuerung für eine gute Idee: "Die gestiegenen Energiepreise werden zu Beginn des kommenden Jahres viele Menschen hart treffen", sagte sie dem "Spiegel". "Wir müssen die Haushalte mit geringen Einkommen gezielt entlasten und gleichzeitig die Kriegsprofiteure zur Kasse bitten."
Quelle: ntv.de, rpe/AFP