Sicherheitsrat soll einschreiten Guterres erzürnt Israel mit ungewöhnlichem Schritt
07.12.2023, 02:52 Uhr Artikel anhören
Anstehen für Treibstoff. Israel fürchtet, dass Diesel und Benzin von der Hamas für ihre Kriegsführung genutzt werden. Jetzt sollen aber größere Liefermengen in den Gazastreifen kommen.
(Foto: IMAGO/Xinhua)
Israel reagiert auf die Forderungen aus den USA: Es soll mehr Treibstoff in den Gazastreifen kommen. Derweil greift der Generalsekretär der Vereinten Nationen zu einer außergewöhnlichen Maßnahme, um Druck auf die israelische Regierung zu machen.
Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung wächst international die Kritik am Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen. UN-Generalsekretär António Guterres hat sich selbst an den Weltsicherheitsrat gewandt, um den Krieg in Nahost auf die Tagesordnung zu setzen - ein Schritt, der in Israel als weiterer Affront wahrgenommen wird. Auf Druck der USA sollen nun aber zumindest mehr Treibstoffe in den Gazastreifen geliefert werden können.
Guterres forderte den Weltsicherheitsrat dringend auf, sich für die Abwendung einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen einzusetzen – ein ungewöhnlicher Vorgang. In einem Brief an den Sicherheitsrat berief sich der UN-Chef dazu erstmals seit seinem Amtsantritt 2017 auf den Artikel 99 der UN-Charta. Dieser erlaubt dem Generalsekretär, den Sicherheitsrat auf "jede Angelegenheit hinzuweisen, die seiner Meinung nach die Gewährleistung von internationalem Frieden und Sicherheit gefährden kann" und ist den UN zufolge seit Jahrzehnten nicht angewandt worden.
"Ich fordere die Mitglieder des Sicherheitsrats auf, darauf zu drängen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern", heißt es in dem Brief. "Ich wiederhole meinen Aufruf, dass ein humanitärer Waffenstillstand ausgerufen werden muss. Das ist dringend. Der zivilen Bevölkerung muss größeres Leid erspart bleiben."
Der UN-Chef habe sich angesichts des großen Verlusts von Menschenleben im Gazastreifen und in Israel innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums für die Berufung auf Artikel 99 der UN-Charta entschieden, hieß es von den Vereinten Nationen. In der Geschichte der UN ist das bisher nur sehr selten vorgekommen. Direkte Folgen hat eine Berufung auf Artikel 99 nicht, symbolisch verleiht der Generalsekretär seinem Aufruf damit eine größere Bedeutung. Laut einem Sprecher von Guterres sei zu erwarten, dass sich der Sicherheitsrat noch in dieser Woche zu dem Thema zusammensetzen werde und auch Guterres dabei sein werde.
Normalerweise entscheiden die Mitglieder des Sicherheitsrats selbst, welche Angelegenheiten sie als Bedrohung für den Weltfrieden wahrnehmen und deshalb auf die Tagesordnung setzen wollen. Zum Gaza-Krieg hat das mächtigste UN-Gremium bislang eine Resolution verabschiedet, sich aber ansonsten häufig zerstritten gezeigt.
Israel: Forderung nach Waffenstillstand spielt Hamas in die Hände
Israels Außenminister kritisierte Guterres' Schritt scharf. "Sein Antrag, Artikel 99 zu aktivieren und die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza stellen eine Unterstützung der Terrororganisation Hamas dar", schrieb Eli Cohen auf X. "Jeder, der den Weltfrieden unterstützt, muss die Befreiung Gazas von der Hamas unterstützen." Guterres' Amtszeit gefährde den Weltfrieden. Das Verhältnis zwischen Israel und den Vereinten Nationen war schon zuvor sehr belastet. In den UN-Organen spiegelt sich die Haltung der Länder der Welt, von denen die Mehrheit Israel gegenüber kritisch oder gar feindlich eingestellt ist.
Die USA stehen an der Seite Israels, äußerten sich zuletzt aber auch zunehmend besorgt über die Entwicklungen im Gazastreifen und forderten, mehr Hilfsgüter zuzulassen. Diesem Drängen kommt die Regierung nun zumindest teilweise nach: Das Sicherheitskabinett habe am Abend einer Empfehlung des Kriegskabinetts zugestimmt, mehr Treibstofflieferungen in den Süden des Gazastreifens zuzulassen, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Eine Erhöhung der erlaubten Mindestmenge sei erforderlich, "um einen humanitären Zusammenbruch und den Ausbruch von Epidemien zu verhindern", hieß es weiter.
Unklar ist, um wie viel die Treibstoffmenge, die täglich in den Gazastreifen gebracht werden darf, konkret erhöht werden soll. Laut Netanjahus Büro soll die Mindestmenge von Zeit zu Zeit vom Kriegskabinett unter Berücksichtigung der humanitären Lage im Gazastreifen festgelegt werden. Israel fürchtet, dass Treibstoffe von der Hamas zweckentfremdet werden, auch um damit Raketen abzufeuern.
Quelle: ntv.de, ino/dpa