Politik

"Substanz muss stimmen" SPD-Chef Klingbeil greift Habeck an

Geht den grünen Wirtschaftsminister Habeck ungewöhnlich scharf an: SPD-Chef Klingbeil.

Geht den grünen Wirtschaftsminister Habeck ungewöhnlich scharf an: SPD-Chef Klingbeil.

(Foto: REUTERS)

Sonst in Umfragen verwöhnt, weht Wirtschaftsminister Habeck derzeit ein rauer Wind ins Gesicht. Die breite öffentliche Kritik an der Gasumlage ruft auch den SPD-Chef auf den Plan. Klingbeil bescheinigt dem Koalitionspartner "handwerkliche Fehler" und zu viele "schöne Worte".

SPD-Chef Lars Klingbeil hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für "handwerkliche Fehler" bei der Gasumlage kritisiert. Der Grünen-Politiker habe zweifelsohne einen interessanten Kommunikationsstil, "und natürlich merken wir, dass das in der Öffentlichkeit gut ankommt", sagte Klingbeil dem Portal "Zeit Online". Zugleich mahnte er: "Am Ende zählen in der Politik nicht nur schöne Worte, es muss vor allem die Substanz stimmen - daran werden wir gemessen."

Es sei nun "wichtig, dass wir die handwerklichen Fehler, die bei der Gasumlage passiert sind, gemeinsam ausräumen", sagte Klingbeil. Für ihn seien die Kriterien dafür, wann ein Unternehmen Geld aus der Umlage bekommt, bislang nicht nachvollziehbar. "Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die in der Krise Milliarden verdient haben, noch Milliarden an Steuergeld kassieren."

Privathaushalte und Unternehmen sollen die Umlage von gut 2,4 Cent pro Kilowattstunde ab Oktober zahlen, wobei die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch auf sieben Prozent sinken soll. Das Geld soll Firmen entlasten, die wegen der gedrosselten Lieferungen aus Russland anderswo teuer Gas einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen. Dies soll Firmenpleiten und Lieferausfälle verhindern. Nach den derzeitigen Regelungen würden von der Umlage aber auch Unternehmen profitieren, die nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind oder mit anderen Geschäftsfeldern sogar hohe Gewinne machen. Dies löste massive Kritik auch innerhalb der Ampelkoalition aus. Habeck will seine bisherigen Pläne für die Umlage daher noch einmal überprüfen.

Idee der Umlage "grundsätzlich richtig"

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält Nachbesserungen für möglich. Die Politik müsse "die Kriterien zur Inanspruchnahme der Ausgleichszahlungen nachschärfen und stärker die finanzielle Situation der Unternehmen und ihre Systemrelevanz berücksichtigen", sagten die IW-Energieexperten Andreas Fischer und Malte Küper dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Dass mit der Umlage nach derzeitiger Auslegung auch Unternehmen einen Anspruch auf Unterstützung erheben können, die selbst womöglich nicht in finanzielle Schieflage geraten, erweist sich als Konstruktionsfehler - hier gilt es nachzubessern", forderten die Experten. Die Idee der solidarischen Umverteilung zusätzlicher Kosten der Gasbeschaffung per Umlage sei aber grundsätzlich richtig.

Der Dachverband der Energiewirtschaft (BDEW) verteidigte die Umlage, machte sich aber ebenfalls für Änderungen stark. "Der beste Weg wäre eine Stützung der Gasimportunternehmen aus Bundesmitteln oder über Kreditabsicherungen gewesen", sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae dem RND. Die Bundesregierung habe aber den Weg der Umlage gewählt, was die Lasten breiter verteile.

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, forderte, die Gasumlage auf Unternehmen in Schieflage zu beschränken. Er schlug dafür ein gestuftes Prüfverfahren vor. "Die bekannt gewordenen Defizite bei der Ausgestaltung der Gasumlage müssen schnellstmöglich behoben werden", sagte er der "Rheinischen Post".

Hofreiter: Direkthilfen für Unternehmen statt Umlage

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte, die Gasumlage ganz fallen zu lassen. "Die einfachere Lösung wäre zu sagen, wir geben die Gasumlage auf, wir geben die Mehrwertsteuersenkung auf und helfen den betroffenen Betrieben direkt", sagte er dem RND. Im "ntv Frühstart" hatte Hofreiter am Freitag bereits gesagt, die Gasumlage in der jetzigen Form sei ein Fehler: "Die Gasumlage muss sich so verändern, dass Firmen, die gigantische Gewinne machen, schlichtweg davon nicht profitieren. Das ist nicht vermittelbar." Es sei eine Stärke von Demokratien, Entscheidungen korrigieren zu können: "Denn Fehler passieren und da ist eindeutig ein Fehler passiert."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach im Bayerischen Rundfunk von "Umlageabzocke". "Gleichzeitig Rekordgewinne bei den Unternehmen zu verursachen und Rekordbelastungen bei den Bürgern", sei "ein unmögliches Vorgehen und muss gestoppt werden", sagte er.

Auch der Deutsche Mieterbund will die Umlage "einstampfen". "Denn wir gehen davon aus, dass die Mehrwertsteuersenkung die Lasten durch die Umlage nicht vollständig ausgleicht", sagte Präsident Lukas Siebenkotten der Mediengruppe Bayern. Der Präsident des RWI-Leibniz-Instituts, Christoph Schmidt, nannte die Umlage "wenig zielgerichtet". Besser sollten die wenigen Unternehmen mit großen Schwierigkeiten gezielt gestützt werden - per Umlage oder aus Steuermitteln, sagte er der "Rheinischen Post".

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 27. August 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, mau/AFP

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