Keine vorschnellen Abschiebungen Heil will Bleibeperspektive für arbeitende Geflüchtete
02.01.2025, 05:00 Uhr Artikel anhören
Deutschland sei ein Einwanderungsland, betont Heil.
(Foto: picture alliance/dpa)
Manch ein Unionspolitiker will Geflüchtete aus Syrien und der Ukraine lieber heute als morgen zurück in ihre Heimat schicken. Völlig falsch findet das Arbeitsminister Heil. Deutschland sei auf Migranten angewiesen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat Forderungen zurückgewiesen, Syrerinnen und Syrer in Deutschland nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad möglichst bald in ihre Heimat zurückzubringen. "Ich finde es ganz, ganz falsch, wie in den letzten Tagen recht fahrlässig diskutiert wurde darüber, dass man jetzt alle gleich rausschaffen kann", sagte der SPD-Politiker in einem Videointerview.
Nach Assads Sturz begann in Deutschland eine Debatte über die rund 975.000 Syrerinnen und Syrer im Land. Thüringens neuer Ministerpräsident Mario Voigt etwa spricht sich angesichts des Umsturzes in Syrien für die Rückführung syrischer Flüchtlinge aus. Sein Parteifreund, CDU-Chef Friedrich Merz, forderte lediglich Abschiebungen syrischer Straftäter und das Unterbinden von Einreisen von Assad-Getreuen. "Das Land ist nach wie vor sehr instabil, das wissen wir", sagte der Kanzlerkandidat von CDU und CSU.
Die meisten der Syrerinnen und Syrer in Deutschland kamen seit 2015 infolge des syrischen Bürgerkriegs. Mehr als 300.000 von ihnen haben einen subsidiären Schutztitel. Sie wurden also nicht wegen einer individuellen Verfolgung aufgenommen, sondern wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat. "Wenn es eine andere Situation in Syrien geben sollte, wird es dann auch Rückführungen geben und viele werden auch freiwillig zum Aufbau in ihre Heimat zurückgehen", sagte Heil. Derzeit ruhten Asylverfahren von Syrern, "weil man erst mal gucken muss, wie sich die Entwicklung in Syrien darstellt".
Heil möchte auch Perspektive für ukrainische Geflüchtete
Für die Syrer und Syrerinnen, die in Deutschland arbeiten und vielleicht ein Leben aufgebaut haben oder dies wollen, forderte Heil eine über den reinen Job hinausgehende Perspektive. Wichtig sei, dass die, die in Deutschland inzwischen integriert seien, hier arbeiten und sich nichts haben zuschulden kommen lassen, eine "dauerhafte Perspektive" im Land haben, sagte Heil. Auch wenn ein Krieg beendet sei.
"Das gilt übrigens langfristig auch für die Menschen aus der Ukraine", sagte Heil. Wer hier arbeite, solle die Möglichkeit für einen dauerhaften Aufenthalt haben. "Wir sind wie andere Industrienationen auf der Welt auch ein Einwanderungsland", sagte Heil. "Wir müssen uns dazu bekennen."
Schon heute seien die Geflüchteten und Zugezogenen wichtig für das Laufen von Wirtschaft und Dienstleistungen in Deutschland. Allein aus Syrien arbeiteten mehr als 6000 Ärzte, Tausende von Pflegerinnen und Pflegern, 17.000 Menschen im Bereich Busfahrer und Taxigewerbe. "Wir werden aufgrund der Demografie am Arbeitsmarkt auch qualifizierte Kräfte aus dem Ausland brauchen, gesteuert, nicht irregulär."
Kritikerinnen und Kritikern, die Deutschlands Migrationskurs für zu lasch halten, hielt Heil entgegen: "Wer hier arbeitet und Steuern zahlt, der muss die gleichen Rechte haben wie andere Menschen auch." Dies habe die Ampel mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auch erleichtert.
Behördenstau bei ausländischen Abschlüssen
Einen Durchbruch erwartet Heil im neuen Jahr bei der heute oft schleppenden Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Mitte Dezember hatten Bund und Länder unter anderem beschlossen, dass die Länder bis spätestens 30. September 2025 ein Zukunftskonzept für mehr Tempo bei den Anerkennungsverfahren vorlegen sollen.
Konkret geht es unter anderem um die von den Ländern getragene Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG), die viele Bewerberinnen und Bewerber einzeln prüft, bevor ein Land die Person anerkennt. Die Leiterin der Gutachtenstelle, Carola Dörfler, hatte im April gesagt: "Zweifelsohne besteht aufgrund des komplexen Anerkennungsverfahrens die Gefahr langer Wartezeiten oder Hängepartien." Häufig erschienen die Abläufe der verschiedenen Behörden widersprüchlich.
Dörfler mahnte, die Personalausstattung der Behörden hinke der Entwicklung hinterher. Hintergrund ist, dass viel mehr Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland arbeiten wollen, als hier sind. "Der Anstieg der Bewerberzahlen aus der Türkei und der Ukraine hat zu einem Stau geführt", räumte Dörfler ein.
Heil mahnte die Beteiligten von Bund und Ländern, die für September geplanten Erleichterungen ausländischer Abschlüsse nicht noch infrage zustellen. Nach der Bundestagswahl werde bei dem Thema auch Gesetzgebung notwendig sein. "Ich gehe davon aus, dass sich da keiner vom Acker macht." Dies gelte unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl im Februar.
Quelle: ntv.de, ino/dpa