Streit um Waffenlieferungen Heusgen kritisiert "Vorpreschen beim Neinsagen"
01.02.2023, 07:22 Uhr Artikel anhören
In Deutschland hergestellte Leopard-1-Panzer stehen in einer Halle in Belgien - mittlerweile hat die Bundesregierung sich entschlossen, der Ukraine den Nachfolger Leopard 2 zu liefern.
(Foto: REUTERS)
Seit Kriegsbeginn wird in Berlin über Lieferungen von Waffen an die Ukraine gestritten - und die Regierung liefert diese oft erst nach zähen Debatten. "Das macht uns unglaubwürdig", kritisiert der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Heusgen. Selbst die Lieferung von Kampfjets mache Deutschland nicht zur Kriegspartei.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hat die Bundesregierung vor voreiliger Ablehnung von Waffenforderungen der Ukraine gewarnt. "Wir schließen ständig etwas aus, das wir dann am Ende doch bereit sind zu tun. Das macht uns unglaubwürdig. Dieses Vorpreschen beim Nein-Sagen sollte endlich aufhören, es ist schädlich", sagte Heusgen den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Man müsse die Sicht ändern und bewerten, was völkerrechtlich, politisch und militärisch möglich und sinnvoll ist.
Mit Blick auf die Debatte über die mögliche Lieferung von Kampfjets an die von Russland angegriffene Ukraine sagte Heusgen: "Was Flugzeuge anbelangt, so ist ihre Lieferung nach der UNO-Charta Artikel 51 legitim." Man werde dadurch nicht zur Kriegspartei. "Hätten wir noch aus DDR-Zeiten russische Flugzeuge, die von ukrainischen Piloten bedient werden können, würde ich sagen: natürlich stellen wir die der Ukraine zur Verfügung." Jetzt gehe es aber um amerikanische F-16-Jets, über die Deutschland gar nicht verfüge, so der frühere Botschafter Deutschlands bei den Vereinten Nationen.
Die Bundesregierung lehnt die Lieferung von Kampfjets an Kiew bislang ab. Auch US-Präsident Joe Biden schloss eine Weitergabe von F-16-Jets am Montag aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erteilte hingegen keine kategorische Absage, sagte aber am Montag, die Waffen dürften nicht eskalierend wirken und keinen russischen Boden berühren, sondern lediglich zur Abwehr benutzt werden.
Kritiker möglicher Kampfflugzeug-Lieferungen argumentieren, die Ukraine könne mit solchen Jets Ziele auf russischem Staatsgebiet angreifen und die Situation damit eskalieren. Dazu sagte Sicherheitskonferenz-Chef Heusgen: "Wenn die Ukrainer mit Waffen gegen militärische Einrichtungen in Russland vorgehen würden, wäre dies völkerrechtskonform."
Er bezweifle allerdings, dass die Ukrainer so etwas überhaupt versuchen würden. Sie wüssten "um unsere Empfindlichkeiten" und um die schlagkräftige russische Flugabwehr. "Grundsätzlich: Wir hören immer wieder, dass die Ukraine nicht provozieren dürfe. Aber wer provoziert denn hier? Russland ist über das Land hergefallen, hat sämtliche Normen des Völkerrechts gebrochen, begeht täglich Kriegsverbrechen. 15 Millionen Ukrainer mussten ihre Heimat verlassen. Wir unterstützen nur die Ukrainer bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung", sagte der frühere Berater von Kanzlerin Angela Merkel.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa