Showdown für Jamaika Heute Nacht wird entschieden, "so oder so"
16.11.2017, 11:33 Uhr
"Heute ist der Tag, an dem wir uns auch in die Situation des jeweils anderen hineinversetzen müssen", sagt Angela Merkel.
(Foto: dpa)
Kurz vor dem letzten Sondierungstreffen der Jamaika-Parteien zeigt sich Kanzlerin Merkel nur verhalten optimistisch. "Ich glaube, es kann gelingen." Die Grünen sind genervt von der CSU. Die solle sagen: "Wollen sie's oder wollen sie's nicht?"
Die Jamaika-Parteien starten heute in die planmäßig letzte Verhandlungsrunde ihrer Sondierungsgespräche. Spätestens in der Nacht soll klar sein, ob CDU, CSU, FDP und Grüne formelle Koalitionsverhandlungen aufnehmen.
Vor einem Treffen der CDU-Unterhändler zu einer Vorbesprechung verwies Merkel darauf, dass den Parteien immer vorgeworfen werde, dass es eigentlich keine Unterschiede zwischen ihnen gebe. Die Sondierungen zeigten aber, dass sie eben doch "sehr, sehr unterschiedliche Positionen" hätten. Jetzt gehe es für die Unterhändler darum, Kompromisse zu erreichen. "Heute ist der Tag, an dem wir uns auch in die Situation des jeweils anderen hineinversetzen müssen und fragen müssen: Was ist für den wichtig?"
Dabei zeigte sich die Kanzlerin nur zurückhaltend optimistisch. "Wenn uns das gelingt - ich glaube, es kann gelingen -, dann kann auch ein positives Ergebnis am Ende der heutigen Verhandlungen stehen. Aber das ist eine schwierige Aufgabe, eine sehr komplizierte Aufgabe, und natürlich muss jeder von dem, was ihm wichtig ist, auch etwas in einer möglichen Regierung wiederfinden."
Es wird erwartet, dass die Verhandlungen bis weit in die Nacht andauern. Wann die Gespräche beendet würden, könne sie nicht vorhersagen, sagte Merkel. Sie sprach von "harter Arbeit", die nötig sein werde. "Wenn das gelingt, dann kann daraus etwas sehr Wichtiges für unser Land entstehen in einer Zeit großer Polarisierung: Nämlich dass sehr, sehr verschiedene Positionen trotzdem in der Lage sind, gemeinsam für die Menschen in diesem Lande zu handeln." Auf die Frage, ob eine Verlängerung der Sondierungsgespräche denkbar sei, antwortete Merkel nicht. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hatte am Morgen in der ARD gesagt, er sei "eigentlich sehr sicher, so oder so wird das heute Nacht entschieden".
Erst Achter-Treffen, dann große Runde

Auch die Grünen trafen sich zu einem Vorgespräch - hier Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth.
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Nach dem Vorgespräch der CDU treffen sich die Unionsparteien zu einem gemeinsamen Gespräch, bevor um 13 Uhr die Chefunterhändler der Jamaika-Parteien zusammenkommen. Neben Angela Merkel und Horst Seehofer sind das FDP-Chef Christian Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki sowie Grünen-Chef Cem Özdemir und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. An dem Gespräch nehmen auch Unionsfraktionschef Volker Kauder und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer teil, so dass jede der vier Parteien mit zwei Unterhändlern vertreten ist. Um 16 Uhr soll die Runde um die Fachpolitiker erweitert werden - dann sitzen mehr als 50 Unterhändler beisammen.
Vor einem Treffen der Grünen sagte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, heute komme es darauf an, "ob es Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft auf allen Seiten" gebe. Die Grünen hätten sich in allen Bereichen bemüht, Brücken zu bauen, "wissend, dass es für uns auch schwere Kompromisse sind". Jetzt müsse auch "eine bayerische Regionalpartei" zeigen, "wollen sie's oder wollen sie's nicht".
"Wir sind nicht im Stuhlkreis bei der Grünen Jugend"
Roth verwies auf eine Bemerkung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der sich am Mittwoch sehr verärgert über öffentliche Äußerungen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gezeigt hatte. "Also entweder will man gemeinsam was machen, dann unterlässt man sowas, öffentliche Angriffe auf andere Verhandler zu machen. Oder man sagt gleich, man will das nicht haben", sagte Kretschmann. Dobrindt und Scheuer hatten den Grünen vorgeworfen, diese würden in den Verhandlungen blockieren.
Roth sagte, die Grünen hätten wiederholt gezeigt, "dass die Mythen, die gerade über die Grünen verbreitet werden, einfach nicht stimmen". So sei es eine grüne Position, dass nicht jeder Mensch, der nach Deutschland komme, hierbleiben könne. Klar sei allerdings auch, dass die Grünen auf den (derzeit ausgesetzten) Familiennachzug für subsidiär Geschützte "wohl bestehen" würden. "Mit aller Kraft", fügte Roth hinzu.
Auf die Frage, ob es heute eine Einigung geben werde, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bei n-tv, das sei völlig offen. "Es wird sich zeigen, ob die andere Seite heute Nacht in der Lage ist, sich einen Ruck zu geben."
Scheuer legte unterdessen bei seinen Attacken gegen die Grünen nach. "Wir sind nicht im Stuhlkreis bei der Grünen Jugend", sagte er bei n-tv. "Wir sind in der Entscheidungsphase. Sein Parteifreund Joachim Herrmann hatte sich am Morgen "zuversichtlich" gezeigt, "dass wir zu vernünftigen Ergebnissen kommen". Beim Familiennachzug ließ er jedoch keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen. Solange die Flüchtlingszahlen so hoch seien wie aktuell sei es "nicht vermittelbar", für diese Flüchtlingsgruppe einen Familiennachzug zu gewähren.
Strittig sind neben der Migrationspolitik auch die Themen Europa, Finanzen und Klimaschutz - große Themen also, die jeweils für die einzelnen Parteien sehr wichtig sind.
Quelle: ntv.de, hvo