Politik

Produkte auch in Deutschland Holzmafia wütet in Rumäniens letztem Urwald

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Weltweit ist der Wald in Gefahr, auch weil jeder dritte Baum illegal abgeholzt wird. Auch in Europa richten kriminelle Organisationen immensen Schaden an - und schrecken vor Gewalt nicht zurück. Doch dem Phänomen Umweltkriminalität ist nicht leicht beizukommen.

Die Spuren des Verbrechens liegen im Unterholz, links und rechts des Trampelpfads. Überall im Waldgebiet südlich der rumänischen Stadt Brasov stehen Baumstümpfe, deren Stämme illegal abgeholzt wurden. Zum Teil schon verwittert, zum Teil sehen sie aus, als ob Kriminelle erst vor Kurzem über die Bäume hergefallen sind.

Valeriu-Norocel Nicolescu, Professor für Forstwirtschaft an der Universität in Brasov, weiß ganz genau, welche Bäume legal und welche illegal geschlagen wurden. Seit Jahren kommt er in diesen Wald. Nicolescu zeigt mit der Hand auf eine Ansammlung Stümpfe. "Diese da wurden illegal abgeholzt", sagt er. Wenig später das gleiche Bild. Auch ein verwitterter Stumpf zwischen zwei Nadelbäumen: abgeholzt ohne Erlaubnis.

Hier habe man das Problem inzwischen aber in den Griff bekommen. Und dennoch: "Die Wiederaufforstung erfordert eine Menge Zeit und Geld und ist eine Menge Aufwand", sagt Nicolescu. Illegaler Holzabbau habe Auswirkung auf die Gebiete vor Ort und den Wald und das "im großen Stil". Im großen Stil wird auf der ganzen Welt und in Europa illegal abgeholzt. Bei uns auf dem Kontinent laut Umweltschutzverbänden vor allem in Rumänien.

Gefährlicher Widerstand

Mafia nennen das die, die sich dem in den Weg stellen. Auch Catalina Radulescu. Sie ist Teil der Organisation Agent Green. Die Umweltschützer fahren tief in die Wälder und dokumentieren Abholzungen - illegale, wie sie sagen. Auf zahlreichen Videos, die die Organisation auf YouTube hochlädt, ist zu sehen, wie sie die vermeintlichen Täter noch vor Ort konfrontieren.

Richtig gefährlich sei das, sagt Radulescu. "Es sind schon Leute gestorben." Was sie meint: Schon 2019 berichtete der Dachverband der rumänischen Waldarbeitergewerkschaften (Consilva) von sechs ermordeten Förstern in den vergangenen Jahren. In über 600 Fällen sollen Forstangestellte während ihrer Arbeit angegriffen worden sein.

Viele der Agent-Green-Aktivisten treten nicht in die Öffentlichkeit. Aus Angst, wie Radulescu sagt. Warum tun sich die Anwältin und ihre Aktivisten-Kollegen das alles an? "Wenn wir es nicht machen, wird der ganze Wald verschwinden. Und unsere Lebensqualität wird nicht mehr die gleiche sein", ist sie sich sicher. Radulescu bezweifelt, dass den Menschen in Rumänien die Konsequenzen wirklich bewusst sind. "Es wird massive Veränderungen geben", mahnt sie. "Noch während wir leben."

Ein lohnendes Geschäft

Bild vom großflächigen illegalen Kahlschlag bei Brasov vor 15 Jahren.

Bild vom großflächigen illegalen Kahlschlag bei Brasov vor 15 Jahren.

Im Waldgebiet rund um Brasov holen die Forstarbeiter eine Mappe hervor und blättern durch die in Klarsichtfolie eingepackten Beweisfotos. Es sind 15 Jahre alte Aufnahmen der Hänge, auf denen sie stehen. Die Bilder zeigen die Folgen der illegalen Abholzung. Dort, wo heute die Bäume wieder dicht an dicht stehen, war vor 15 Jahren eine brache Fläche, trost- und farblos.

Die Aufnahmen wirken wie die Bilder, die Umweltschützer jedes Jahr aus den Urwäldern des Amazonas veröffentlichen. Und auch, wenn laut dem World Wide Fund For Nature (WWF) über 90 Prozent des Waldrückgangs in tropischen Wäldern stattfindet, gibt es ihn auch bei uns. In Rumänien sterbe der letzte Urwald Europas, sagen Aktivisten. Und das liegt auch an der unerlaubten Abholzung. Laut der Europäischen Union wird bis zu 30 Prozent des weltweiten Holzes illegal geschlagen. Der jährliche Wert: sechs Milliarden Euro. Kriminelle verdienen prächtig am Kahlschlag der Wälder.

Wie hoch der Anteil illegalen Holzschlags in Rumänien ist, ist unklar. In einer Pressekonferenz sprach das Umweltministerium zunächst davon, dass ungefähr 50 Prozent des geschlagenen Holzes illegal gefällt würden. Doch nach ntv-Informationen rudert das Ministerium inzwischen zurück. Zahlen könne man aktuell nicht nennen, eine Inventur laufe gerade. Eine Interviewanfrage lehnten sowohl das Umweltministerium als auch die Strafverfolgungsbehörden ab.

Komplexe Gegenmaßnahmen

Die Grünen-Abgeordneten Gesenhues und Benner informieren sich bei Forstwirtschaftsprofessor Nicolesu (v.ln.r.)

Die Grünen-Abgeordneten Gesenhues und Benner informieren sich bei Forstwirtschaftsprofessor Nicolesu (v.ln.r.)

"Wir müssen Holzraub als Teil organisierter Kriminalität endlich ernst nehmen", mahnt Jan-Niclas Gesenhues. Gemeinsam mit seinem Grünen-Parteikollegen Lukas Benner ist er in den rumänischen Wald gereist. Die Bundestagsabgeordneten wollen die Machenschaften der Holz-Mafia stärker bekämpfen - auf deutscher und europäischer Ebene. Manches Holz stehe laut Gesenhues als Tisch oder Schrank in deutschen Wohnzimmern. "Das kann doch keiner wollen", sagt er.

Nach Angaben von Umweltschutzorganisationen gibt es unterschiedliche Wege, wie aus illegal geschlagenem Holz scheinbar legales wird - und es so auch im Baumarkt oder Möbelhaus landen kann. Teilweise werden Genehmigungen zu der Abholzung mehrfach verwendet. Häufig wird illegal geschlagenes Holz aber auch in Sägewerken verarbeitet und umetikettiert. So lasse sich im Nachhinein kaum noch nachvollziehen, welche Bretter, die die Sägewerke wieder verlassen, von regulär geschlagenem Holz und welche von irregulärem stammen.

Auch Gesenhues spricht von "Mafia-Strukturen". Mafia-Strukturen, die man, so Parteikollege Benner, mit viel zu geringen Befugnissen bei den Strafverfolgungsbehörden bekämpfe, auch in Deutschland. Das gehöre angepasst. "Bei Delikten im Bereich der Umweltkriminalität darf etwa keine Telekommunikationsüberwachung durchgeführt werden", beschreibt Benner die Situation. Man müsse diesen Sektor der Organisierten Kriminalität auch als solchen bekämpfen und "nicht wie Falschparken" bestrafen.

Holz ist kein Kokain

Denn laut einem Bericht der Europäischen Union ist Umweltkriminalität die drittgrößte kriminelle Aktivität weltweit. Davor liegen nur Drogenhandel und Produktpiraterie. Neben dem illegalen Holzschlag zählt zum Beispiel auch die nicht ordnungsgemäße Entsorgung von Abfall oder unerlaubter Fischfang dazu. Umweltkriminalität verursacht demnach einen Verlust von jährlich bis zu 281 Milliarden Dollar - Tendenz steigend. Benner sagt: "Umweltkriminalität ist nicht der Kühlschrank, der irgendwo am Waldrand abgeladen wurde." Es mangle aber vielerorts an einer ambitionierten Strafverfolgung und den entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen.

Die EU will Straftaten wie illegale Abholzung schärfer bekämpfen. Fakt ist: Umweltkriminalität ist komplex und vereint viele Aspekte - von Umweltverschmutzung bis zu Korruption. Sie ist schwer aufzudecken, findet häufig im Verborgenen statt und ist damit auch schwer zu bestrafen. Während zum Beispiel der Schmuggel von Drogen immer und eindeutig kriminell ist, muss man der Holzmafia erst einmal nachweisen, dass das gefällte Holz illegal geschlagen wurde. Eine Tonne Kokain im Container im Hamburger Hafen ist klar erkennbar eine Straftat - eine Tonne Regalbretter im Container nebenan nicht.

Es braucht unterschiedliche Maßnahmen und das Zusammenspiel von verschiedenen Strafverfolgungsbehörden, damit illegal geschlagenes Holz in Zukunft nicht mehr in unseren Wohnzimmern landet. Und kreative Ansätze: In Rumänien gibt es inzwischen eine App, mit der Bürger verdächtige Holztransporte direkt bei den Behörden melden können.

Quelle: ntv.de

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