Fahrzeugkolonne aus Sumy Hunderte Ukrainer aus umkämpfter Stadt evakuiert
08.03.2022, 19:16 Uhr
Tausende Zivilisten versuchen in der Ukraine weiterhin, aus den umkämpften Städten zu fliehen. Weil Fluchtrouten angegriffen werden, können sich Menschen vielerorts jedoch nicht in Sicherheit bringen. In Sumy gelingt nun die Evakuierung. Dutzende Busse bringen die Bewohner aus der Stadt.
Im Krieg Russlands gegen die Ukraine sind erstmals Hunderte Zivilisten bei einer abgestimmten Evakuierung aus einer umkämpften Stadt gerettet worden. Nach einer Feuerpause startete diesen Dienstag eine Fahrzeugkolonne mit Einwohnern aus Sumy im Nordosten der Ukraine. Am Morgen verließen Dutzende Busse mit Zivilisten die Stadt. Am Montagabend waren dort ukrainischen Angaben zufolge mindestens 21 Menschen bei einem russischen Luftangriff auf ein Wohngebiet getötet worden, darunter zwei Kinder.
Auch in anderen Städten haben Tausende Ukrainer erneut Fluchtversuche unternommen. Hunderte Zivilisten versuchten im Kiewer Vorort Irpin, sich über eine inoffizielle Route in Sicherheit zu bringen, wie AFP-Reporter berichteten. Russland hatte es nach ukrainischen Angaben abgelehnt, dort einen humanitären Korridor einzurichten. Auch in Butscha vor den Toren Kiews versuchten die Menschen verzweifelt, die Stadt zu verlassen. Eine Einwohnerin namens Anna sagte, die Stadt stehe kurz vor einer "humanitären Katastrophe": "Es gibt kein Gas mehr, kein Wasser, keinen Strom und auch die Lebensmittel gehen aus."
Russland hatte am Montagabend örtliche Feuerpausen sowie die Einrichtung von humanitären Korridoren für Zivilisten aus mehreren umkämpften Städten in der Ukraine angekündigt. Die Fluchtwege aus Kiew, Sumy, Charkiw, Mariupol und Tschernihiw sollten jedoch zumeist nach Russland oder Belarus führen, von wo aus die russische Armee am 24. Februar in der Ukraine einmarschiert war. Die Ukraine lehnte diese Fluchtkorridore ab, Verhandlungen beider Seiten führten zu keinem Durchbruch.
"Solche Aktionen sind Völkermord"
In Mariupol wurde die vereinbarte Fluchtroute nach ukrainischen Angaben von russischen Soldaten attackiert. "Der Feind hat einen Angriff genau in Richtung des humanitären Korridors gestartet", erklärte das Verteidigungsministerium in Kiew. "Solche Aktionen (...) sind nichts anderes als Völkermord." Das Außenministerium in Kiew warf Russland einen "Verstoß gegen die Waffenruhe" vor.
Die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol wird seit Tagen von russischen Truppen belagert. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte, die Bewohner von Mariupol befänden sich in einer "grauenhaften" Lage. Es fehle an Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung, sagte IKRK-Medienchef Ewan Watson in Genf.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Morgen erklärt, es habe "Garantien" für die Evakuierung der Bewohner von Mariupol gegeben, die aber "nicht funktioniert" hätten. Selenskyj hatte Russland bereits am Montagabend vorgeworfen, alle vorherigen Evakuierungsversuche verhindert zu haben. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte hingegen wiederholt "ukrainische Nationalisten" beschuldigt, die Evakuierungen umkämpfter Städte zu vereiteln.
Nach UN-Angaben stieg die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine in die Nachbarländer inzwischen auf über zwei Millionen. Mindestens 406 Zivilisten seien seit Beginn des Kriegs getötet worden. Die tatsächliche Opferzahl dürfte aber "erheblich höher" liegen.
Quelle: ntv.de, Dmitry Zaks, AFP