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AfD-Mann bei Lanz "Ich sehe nicht, dass das irgendwas mit unserer Partei zu tun haben könnte"

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Lucassen war früher Oberst der Bundeswehr. Anders als viele Parteifreunde hält er die USA für einen "verlässlichen Partner" und die NATO-Mitgliedschaft für richtig.

Lucassen war früher Oberst der Bundeswehr. Anders als viele Parteifreunde hält er die USA für einen "verlässlichen Partner" und die NATO-Mitgliedschaft für richtig.

(Foto: picture alliance / dts-Agentur)

Markus Lanz will über die tätlichen Angriffe im Wahlkampf reden und lädt dazu einen AfD-Politiker ein. Der verurteilt die Attacken halbherzig und findet: Am schlimmsten treffe es seine eigene Partei. Militärexperte Carlo Masala berichtet derweil über Vorträge unter Polizeischutz.

Vorab: Was die Fälle der beiden AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl angeht, bleibt die rechtspopulistische Partei bei ihrer Linie. AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen gehört am Dienstagabend zu den Gästen in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". Der Moderator spricht ihn natürlich auf die Razzia im Brüsseler Büro von AfD-Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah an. Lucassen betont, es sei dabei nur um dessen Mitarbeiter gegangen, der im Verdacht steht, für China spioniert zu haben. Weder gegen Krah noch gegen die Nummer zwei der AfD bei der Europawahl, Petr Bystron, seien bisher Ermittlungen aufgenommen worden. Krah habe sich besonders mit China und Bystron habe sich besonders mit Russland beschäftigt, weil das ihre Aufgabe als Außenpolitiker sei. Aber: "Wer sich durch eine fremde Macht schmieren lässt oder Interessen vertritt, die sich gegen Deutschland richten würden, der gehört nicht in unsere Partei. Da bin ich voll und ganz bei meinem Parteivorsitzenden", sagt Lucassen.

Seit acht Jahren ist der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Mitglied der Partei. "Ich gehöre bewusst der AfD an, und ich gehöre bewusst einer rechten Partei an, mit allen Einzelaspekten, die in der Partei sind", erklärt er. Sein Verhältnis zu Russland scheint weniger eng zu sein als bei vielen seiner Parteikollegen. Er verurteilt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Was die Sicherheitspolitik angeht, sagt er: "Die USA sind für uns ein verlässlicher Partner, weil sie Mitglied der NATO sind. Die NATO ist immer noch die Verteidigungsgemeinschaft, die uns den größten Schutz geben kann." Hier muss man jedoch klar sagen, dass er mit dieser Ansicht zu einer Minderheit der AfD-Politiker gehört. Wirtschaftspolitisch setzt Lucassen auf China, "wenn man sich auf Augenhöhe begegnen würde, was im Moment, glaube ich, nicht durchgehend der Fall ist."

Anschläge auf Politiker

Doch eigentlich geht es bei "Markus-Lanz" heute um ein anderes Thema. Nach dem Anschlag auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, will der Moderator von seinen Gästen erfahren, ob sie die Demokratie in Deutschland für gefährdet halten. Lucassen tut das nicht, beklagt aber, dass es auch auf seine Familie und sein Haus Übergriffe gegeben habe. Parolen seien auf sein Haus geschmiert worden, "Nazis raus" zum Beispiel.

Angriffe auf Menschen, damit auch auf Politiker, gingen gar nicht, gleich, welcher Partei oder Couleur sie angehörten, so Lucassen. Es gebe für sie aber einen Grund: Die Politik in Deutschland, vor allem die Regierungsverantwortlichen, seien nicht mehr in der Lage, den Menschen einen Halt und eine Richtung zu geben. Es herrsche in der Regierung und bei der Opposition ein Strategiedefizit. Das führe zu verbaler und - "leider auch" - zu physischer Gewalt. Eine Partei jedoch nimmt er von diesen Vorwürfen aus: "Ich sehe nicht, dass das irgendwas mit unserer Partei zu tun haben könnte, nicht überwiegend." Schließlich sei es ja die AfD, die die meisten gewalttätigen Vorgänge zu verzeichnen habe.

Lucassen gibt damit verkürzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage seiner Partei wieder. Danach lagen die Grünen mit 1219 gegen sie ausgeübten Straftaten an der Spitze, gefolgt von der AfD mit 478 Straftaten gegen ihre Politiker. Zählt man allein die Gewaltdelikte, dann liegt die AfD tatsächlich vorne: 86 Mal wurden im vergangenen Jahr deren Politiker angegriffen, danach folgen die Grünen mit 62 gewaltsamen Übergriffen.

"Ich werde bedroht"

Wie sich Gewalt in der Demokratie auswirkt, erlebt Militärexperte Carlo Masala fast täglich. "Ich werde bedroht", sagt er bei Markus Lanz. "Ich habe schon Vorträge unter Polizeischutz gehalten, weil im Vorfeld angekündigt wurde, da mal vorbeizugehen und dem Masala zu zeigen, was die Ostdeutschen über Kriegstreiber denken. Das war in Sachsen." In diesem Fall habe es sich um eine Querdenkerbewegung gehandelt. Doch die Bedrohung geht weiter, über E-Mails und Telefonanrufe. "Wenn man etwas äußert, wird man von einem Schwall von Drohungen, verbalen Entgleisungen bis hin zu Morddrohungen, regelmäßig konfrontiert."

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"Wir haben eine Verrohung des politischen Diskurses", stellt Masala fest. Das habe er schon vor der Corona-Krise beobachtet, doch während der Corona-Krise sei es gekippt. Schon lange würden in ganz Deutschland Kommunalpolitiker angegriffen. "Aus meiner Perspektive ist das ehrenamtliche Engagement für die Demokratie der Kern der Demokratie", so Masala. "Wenn sich dafür keine Leute mehr bereitfinden, dann haben wir ein großes Problem mit unseren Institutionen." Mittlerweile seien auf fast allen Demonstrationen Plakate mit der Aufforderung zu sehen, Politiker aufzuhängen. Masala: "Da entgleist was, und das geht weit in die bürgerliche Mitte hinein. Das sind nicht nur Randphänomene, sondern das umfasst große Teile der Gesellschaft."

Masalas Fazit: "Es muss ein Konsens herrschen, dass Gewalt kein Mittel in der Auseinandersetzung in einem demokratischen Wettbewerb ist. Und wenn man sich auf diesen Konsens nicht einigen kann, dann haben wir ein Problem in der Demokratie, dann ändert sich hier etwas fundamental."

Quelle: ntv.de

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