Al-Nuri-Moschee erobert Irak verkündet das Ende des Kalifats
29.06.2017, 18:00 Uhr
Ein irakischer Soldat geht durch die Trümmer der Altstadt von Mossul. Der historische Stadtkern wurde bei den Kämpfen zu großen Teilen zerstört.
(Foto: REUTERS)
Heute vor drei Jahren ruft IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi in Mossul das Kalifat aus. Jetzt verkündet der irakische Premier das Ende des Pseudo-Staates.
Nach der Eroberung der zerstörten Großen Moschee von Al-Nuri in Mossul hat der irakische Premierminister Haider al-Abadi das selbstausgerufene Kalifat der Terrororganisation Islamischer Staat für beendet erklärt. "Ihr erfundener Staat ist zusammengebrochen", sagte ein Militärsprecher wenig später im staatlichen Fernsehen.
In der von IS-Kämpfern vergangene Woche gesprengten Moschee hatte ihr Anführer Abu Bakr al-Baghdadi vor genau drei Jahren einen islamischen Gottesstaat für Teile Syriens und des Iraks ausgerufen. Einige Tage später zeigte sich IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi bei einer Freitagspredigt in der Großen Moschee erstmals öffentlich. Die Millionenmetropole Mossul diente dem IS als faktische Hauptstadt im Irak. Die Dschihadisten hatten das berühmte schiefe Minarett vergangene Woche gesprengt - offenbar um zu verhindern, dass die Armee darauf ihre Flagge hisst. Das Militär wertete dies als Eingeständnis der Niederlage der IS-Miliz.
Die Extremistengruppe hatte 2014 in einer Blitzoffensive riesige Gebiete in ihre Gewalt gebracht. Wie die Londoner Analysefirma IHS Markit erklärte, verlor sie inzwischen aber 60 Prozent ihres Gebiets und 80 Prozents ihrer Einnahmen. So sei ihr Gebiet von 90.000 Quadratkilometern im Januar 2015 auf heute 36.200 Quadratkilometer zurückgegangen.
Einnahmen des IS sind zusammengebrochen
"Drei Jahre nach seiner Ausrufung ist es klar, dass das Regierungsprojekt des Kalifats gescheitert ist", sagte der Nahostexperte Columb Strack von IHS Markit. Die Reste des "Kalifats" dürften sich bis zum Endes Jahres auflösen, und 2018 dürfte die IS-Miliz auch die letzten isolierten städtischen Gebiete unter seiner Kontrolle verlieren, sagte er.
Laut IHS Markit verlor die IS-Miliz mit der Kontrolle über die Gebiete auch den Großteil ihrer Einnahmen aus Ölverkäufen, Steuererhebungen, Enteignungen und anderen illegalen Tätigkeiten. So seien ihre monatlichen Einnahmen von 81 Millionen Dollar im zweiten Quartal 2015 auf 16 Millionen Dollar im zweiten Quartal 2017 zurückgegangen, erklärte die Firma.
Spezialeinheiten kontrollierten nun das gesamte Moschee-Gelände sowie die Bezirke Al-Hadba und Sirdschchana, sagte ein Kommandeur. Ministerpräsident Haider al-Abadi erließ den Befehl, "die Schlacht zu Ende zu bringen". Die Regierung geht davon aus, dass dies in den kommenden Tagen geschehen wird.Die IS-Kämpfer sind Militärschätzungen zufolge auf etwa 40 Prozent der Altstadt oder ein Prozent des gesamten Stadtgebietes zurückgedrängt worden. Unterstützt werden die irakischen Verbände am Boden und in der Luft von der US-geführten Anti-IS-Koalition.
Rakka ist eingekesselt
Die Islamisten hatten angesichts des Vorrückens der irakischen Einheiten die mittelalterliche Moschee gesprengt. Auf ihrem schiefen Minarett wehte bis dahin die schwarze IS-Fahne. Vergangene Woche wurde die Zahl der IS-Kämpfer in der Stadt auf 350 geschätzt, davon dürften mittlerweile aber viele getötet worden sein.

Juni 2014: Flaggen des IS wehen bei einer Demonstration vor dem Gebäude der Provinzregierung in Mossul.
(Foto: AP)
Die Offensive zur Rückeroberung Mossuls begann vor acht Monaten. Tausende Zivilisten wurden seither getötet. Rund 900.000 Menschen, rund die Hälfte der ursprünglichen Bevölkerung, ist vor den Kämpfen geflohen. Die verbliebenen Menschen sehen sich Hunger und Tod ausgesetzt. Kämpfer des IS verstecken sich unter der Zivilbevölkerung und missbrauchen Einwohner als menschliche Schutzschilde. Nach wie vor kontrolliert der IS Gebiete im Westen und Süden der Stadt.
Auch die Hauptstadt des IS in Syrien, Rakka, wird derzeit mit US-Unterstützung von kurdischen Milizen belagert. Die Stadt sei inzwischen komplett eingekesselt, berichten Beobachter. Der US-Sonderbeauftragte für den Kampf gegen den IS, Brett McGurk, sagte bei seinem Besuch der kurdischen Streitkräfte nahe Rakka, er erwarte einen langen und harten Kampf. Die Eroberung von Rakka werde nach seiner Ansicht jedoch nicht so lange dauern, wie die Rückeroberung Mossuls. McGurk rechnet damit, dass sich noch eine große Anzahl ausländischer Kämpfer in Rakka befindet. "Wir gehen davon aus, dass diese Personen bis zum Tod kämpfen werden", sagte der US-Gesandte im Interview mit dem arabischen Sender Al Aan. "Unsere Mission ist es, dass diese Kämpfer Rakka nicht lebendig verlassen".
Al-Baghdadi: Tot oder in Al-Qaim?
Hochrangige Funktionäre des IS hätten nach Ansicht des US-Militärs die Hochburgen Rakka und Mossul jedoch längst verlassen. Nach Darstellung Russlands und des Irans wurde IS-Chef Al-Baghdadi am 28. Mai höchstwahrscheinlich bei einem Luftangriff auf Rakka getötet. Aus irakischen und US-Militärkreisen gibt es dafür keine Bestätigung und es heißt, er habe sich zusammen mit anderen ranghohen Terroristen in das irakisch-syrische Grenzgebiet um Al-Qaim am Euphrat zurückgezogen.
Entlang des Flusses hält der IS noch eine Reihe von Hochburgen in Syrien. Doch auch dort gerät die Miliz zunehmend unter Druck. Von Südwesten her nähern sich die Truppen Assads mit russischer Unterstützung schnell dem Gebiet. In den vergangenen Wochen hat die Armee östlich von Palmyra hunderte Quadratkilometer Gelände zurückerobert.
Quelle: ntv.de, bdk/rts/dpa