"Belfast kommt mit Brexit klar" Irlands Premier wirft London "Vandalismus" vor
19.06.2022, 18:37 Uhr
Überzeugter Europäer: Irlands Premier Martin beim EU-Gipfel Ende Mai.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Die britische Regierung stellt sich gern als Anwalt Nordirlands dar: Weil die Wirtschaft angeblich unter dem Brexit-Vertrag leidet, ändert Großbritannien einseitig das Abkommen mit der EU. Irlands Premier widerspricht und wirft London "ökonomischen Vandalismus" vor.
Der irische Regierungschef Micheal Martin hat die britische Regierung davor gewarnt, die Brexit-Vereinbarungen zu Nordirland per nationaler Gesetzgebung auszuhebeln. Vor allem das Vorhaben Londons, sowohl britische als auch Produktstandards der EU in Nordirland zuzulassen, sei "ökonomischer Vandalismus", sagte der Martin der BBC. Anders als von London behauptet, komme die Wirtschaft in Nordirland sehr gut klar mit den vereinbarten Regelungen.
Die Regierung des britischen Premierministers Boris Johnson hatte am vergangenen Montag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Regelungen des im Brexit-Vertrag vereinbarten Nordirland-Protokolls einseitig ändern soll. London will damit erzwingen, dass Brüssel das erst 2019 vereinbarte Abkommen wieder aufmacht. Die EU-Kommission schließt das strikt aus und will stattdessen über Lösungen im Rahmen der bestehenden Vereinbarung verhandeln.
London droht unter anderem damit, die in dem Protokoll vereinbarten Warenkontrollen zum Schutz des EU-Binnenmarkts durch eine freiwillige Regelung zu ersetzen. Zudem soll die Rolle des Europäischen Gerichtshofs drastisch beschränkt werden. London will sich auch freie Hand bei Regelungen zur Mehrwertsteuer geben. Nach Ansicht einer großen Zahl von Experten wäre das ein klarer Bruch internationalen Rechts. Die Regierung in London bestreitet das jedoch.
EU leitet Vertragsverletzungsverfahren ein
Die britische Regierung hatte dem Protokoll ursprünglich zugestimmt, um Kontrollen an der inner-irischen Grenze zu verhindern, da dies den Friedensprozess in der ehemaligen Unruheregion gefährden könnte. Nun argumentiert London, das Nordirland-Protokoll untergrabe den Frieden in der Region, indem es die dortige Regierung paralysiere.
Die pro-britische Partei DUP blockiert seit Wochen die Regierungsbildung in Nordirland und fordert die Abschaffung des Protokolls. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen London eingeleitet.
Quelle: ntv.de, mau/dpa