Politik

Machtübernahme der Taliban Ischinger: Trump verantwortet "Sündenfall"

"Da war ja nichts mehr zu retten", sagt Ischinger über die politischen Fehler der Vergangenheit.

"Da war ja nichts mehr zu retten", sagt Ischinger über die politischen Fehler der Vergangenheit.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit ihrem überstürzten Abzug aus Afghanistan locken die NATO-Staaten die Taliban in die Offensive. Viel früher als angenommen erobern die militanten Islamisten weite Teile des Landes zurück. Chaos bricht aus. Laut Wolfgang Ischinger nahm dieser Schrecken bereits 2018 seinen Lauf.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump trägt nach Ansicht des Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, eine große Mitschuld an der Lage in Afghanistan. "Der Sündenfall, der passierte ja lange vor dem Dienstantritt von (US-Präsident) Joe Biden", sagte der ehemalige Botschafter im Deutschlandfunk. "Der Sündenfall war das Abkommen, das unter Donald Trump mit den Taliban geschlossen wurde." Die militanten Islamisten hätten dann nur noch auf den Abzug der US-Truppen warten müssen. Aus einer solchen Position der Schwäche mit den Taliban zu verhandeln, wünsche man nicht einmal seinem Feind, sagte Ischinger. "Da war ja nichts mehr zu retten."

Mit Blick auf die aktuelle Lage fügte er hinzu: "Das ist ein Debakel, das kann man nicht schönreden." Gewiss habe sich auch Biden ein anderes Ende vorgestellt - auch wenn ihm wohl klar gewesen sei, dass der Abzug nicht in bürokratisch geordneten Formen ablaufen werde. "Man wusste im Weißen Haus, dass das womöglich schmutzig und schrecklich und auch mit unangenehmen Bildern versehen sein würde."

Ischinger betonte, die Schuld für die aktuelle Lage sei nicht allein bei der afghanischen Armee zu suchen, deren Streitkräfte sich schnell ergeben haben. Vielmehr hätte eine reduzierte militärische Präsenz der NATO, auch mit wenigen Tausend Soldaten, dieses "schlimme Debakel" vielleicht verhindern können.

"Das ist die Wurst, die wir hinhalten können"

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Der Westen muss seiner Meinung nach gegenüber den Taliban mit einer Stimme sprechen und klare Bedingungen für jede Form der Zusammenarbeit stellen. Dafür sei eine Abstimmung mit anderen Ländern nötig. "Unsere chinesischen Partner, die Russen, die Inder haben genauso wenig wie wir ein Interesse daran, dass ein radikalislamisches Kalifat in Kabul entsteht." Als Druckmittel gegenüber den Taliban könne man Hilfen einsetzen. Afghanistan selbst sei kaum lebensfähig. Es habe immer von Zuwendungen des Westens gelebt. "Das ist die Wurst, die wir hinhalten können."

Im Jahr 2018 hatten in Doha in Katar die ersten direkten Gespräche zwischen der Regierung des damaligen US-Präsidenten Trump und den Taliban begonnen. Die Verhandlungen mündeten am 29. Februar 2020 in eine Vereinbarung, in der ein Zeitplan für den Abzug der US-Truppen abgesteckt wurde. Der Abzug verzögerte sich zwar zwischenzeitlich, begann dann aber unter Trumps Nachfolger Biden im Mai. Parallel zu den USA zogen auch die anderen NATO-Truppen aus Afghanistan ab, darunter die Bundeswehr.

Quelle: ntv.de, fzö/dpa/rts

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