Ausweitung der Offensive Israel fordert mehr Zivilisten auf, Rafah zu verlassen
11.05.2024, 11:55 Uhr Artikel anhören
Seit Beginn der israelischen Bodenoffensive sind Tausende Palästinenser Richtung Küste geflohen. Mehr als eine Million Menschen befinden sich den UN zufolge in der Stadt.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
In Rafah, im Süden des Gazastreifens, steht die Situation laut UN bereits "auf Messers Schneide". Hilfsgüter kommen kaum noch über die Grenze, seit Israels Militär den einzigen Übergang nach Ägypten besetzt hat. Offenbar steht, aller internationaler Kritik zum Trotz, eine Ausweitung der Offensive bevor.
Die israelische Armee hat Bewohner von Rafah dazu aufgefordert, weitere Gebiete in der Stadt im Süden des Gazastreifens zu verlassen. In einer Botschaft, die das Militär auf Arabisch über die Plattform X und in Form von Textnachrichten verbreitete, zählten die Streitkräfte die betroffenen Zonen auf, darunter zwei Flüchtlingslager. Die Menschen in diesen Gebieten müssten sich unverzüglich in die Ortschaft Al-Mawasi an der Mittelmeerküste begeben, hieß es.
Die Aufforderung deutet darauf hin, dass das Militär beabsichtigt, seinen Einsatz gegen Stellungen und Kampfeinheiten der islamistischen Hamas in der Stadt an der Grenze zu Ägypten auszuweiten. Der Einsatz, der seit Wochenbeginn andauert, ist umstritten. In Rafah drängen sich derzeit nach UN-Angaben mehr als eine Million Menschen zusammen, die vor den Kampfhandlungen in den anderen Teilen des Gazastreifens geflohen sind.
Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, warnen eindringlich vor einer großangelegten Offensive in Rafah. US-Präsident Joe Biden drohte zuletzt sogar mit der Beschränkung von Waffenlieferungen. Die israelische Führung will nach eigenen Angaben wiederum in Rafah die letzten dort vermuteten Bataillone der islamistischen Hamas zerschlagen. Auch UN-Generalsekretär António Guterres warnte eindringlich vor den humanitären Folgen einer solchen Offensive. "Die Situation in Rafah steht auf Messers Schneide", sagte Guterres. "Ein massiver Bodenangriff in Rafah würde zu einer humanitären Katastrophe epischen Ausmaßes führen und unsere Bemühungen zur Unterstützung der Menschen angesichts der drohenden Hungersnot zunichtemachen."
Treibstoff geht zur Neige
In einem erneuten Eilantrag an den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag forderte Südafrika, das Gericht müsse Israel zu weiteren Schritten bewegen, um einen Völkermord an den Palästinensern zu verhindern. Israels Armee müsse sich sofort aus Rafah zurückziehen. Frankreich forderte Israel auf, den Einsatz in Rafah unverzüglich zu beenden. Es drohe eine katastrophale Situation für die Zivilbevölkerung in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt, warnte das Außenministerium in Paris am Freitagabend.
Humanitäre Helfer berichten unterdessen von verheerenden Zuständen in Rafah. Krankenhäuser müssten innerhalb von 24 Stunden ihre Dienste einstellen, wenn nicht dringend benötigter neuer Treibstoff geliefert werde. Der Grenzübergang in Rafah nach Ägypten, über den bislang auch Hilfslieferungen in den Küstenstreifen gelangten, ist weiterhin geschlossen, seit die israelische Armee am Dienstag die Kontrolle auf der palästinensischen Seite übernommen hat.
Die Hamas griff derweil nach eigenen Angaben zum wiederholten Male den Grenzübergang Kerem Schalom an. Israel warf der Islamistenorganisation vor, verhindern zu wollen, dass Hilfslieferungen nach Gaza gelangen. Der Grenzübergang war erst nach mehrtägiger Schließung wieder geöffnet worden. Ein Teil der Treibstofflieferungen sei zwar von dort aus erfolgt, nach UN-Darstellung würden jedoch weiter keine Lebensmittellieferungen zugelassen, berichtete die Zeitung "New York Times".
Ein Grund dafür sei, dass Ägypten, wo die meisten Hilfsgüter für den Gazastreifen gesammelt und verladen werden, sich weigere, Lastwagen vom geschlossenen Rafah-Übergang nach Kerem Schalom weiterfahren zu lassen, zitierte die Zeitung amerikanische und israelische Vertreter. Sie glaubten demnach, dass Ägypten versuche, Israel unter Druck zu setzen, damit es seine Truppen aus Rafah abzieht.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa