Israels Botschafter im Interview "Israel kämpft um seine Existenz"
07.10.2024, 10:58 Uhr Artikel anhören
Der frühere UN-Botschafter Prosor ist seit 2022 Israels oberster diplomatischer Vertreter in Deutschland.
(Foto: picture alliance / Metodi Popow)
Am Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs verteidigt Israels Botschafter die Militäreinsätze seines Landes. Ron Prosor wünscht sich aus Deutschland weniger erhobene Zeigefinger. Auf eine Friedenslösung mit Iran macht er wenig Hoffnung.
Vor zwölf Monaten wurde Israel angegriffen - und führt seitdem an mehreren Fronten Krieg. Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hat dieses Vorgehen verteidigt. "Israel versucht, sich zu verteidigen", sagte Prosor in der ntv-Sendung Frühstart. "Seit einem Jahr sind wir im Krieg." Der 7. Oktober sei die größte Tragödie des Staates Israel seit seiner Gründung gewesen. "Israel kämpft um seine Existenz."
Der Anschlag sei für sein Land eine Art Erwachen gewesen, so Prosor. Es gebe eine tödliche Ideologie zur Zerstörung Israels, die von der Hamas, Hisbollah und dem Iran getragen werde. "Wir haben plötzlich Klarheit, mit wem wir es eigentlich zu tun haben." Die Hamas nutze Zivilisten, um ihre Waffen zu schützen, Israel wiederum nutze seine Waffen, um seine Zivilisten zu schützen.
"Nicht enttäuscht von Deutschland"
Prosor wandte sich gegen Kritik aus Deutschland an den israelischen Angriffen im Gazastreifen und Libanon. Es werde immer betont, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen. Tue Israel dies dann, sei es aber nicht richtig. "Wir haben das Recht, aber man gibt uns nicht das Recht." Zu oft werde mit dem erhobenen Zeigefinger argumentiert. In den internationalen Gremien werde Israel ständig dämonisiert und delegitimiert.
"Man müsste uns eigentlich danken, dass wir in der ersten Reihe sitzen, um die Werte zu verteidigen, die alle demokratischen Staaten mit uns verteidigen sollten." Der Botschafter dankte gleichzeitig für die Anteilnahme aus Deutschland seit der Terrorattacke. "Ich bin nicht enttäuscht von Deutschland." Bei vielen Menschen gebe es Solidarität mit Israel.
"Das Problem ist nicht Netanjahu"
Prosor wies den Vorwurf zurück, dass Israels Ministerpräsident Netanjahu mit seiner Strategie gescheitert sei, die Geiseln aus der Gewalt der Hamas zurückzubekommen. Militärischer Druck sei wichtig, denn die Hamas wolle die Geiseln nicht aus freien Stücken freilassen, so Prosor. "Wenn wir jetzt die militärische Infrastruktur der Hamas beseitigen, haben wir eine bessere Chance, die Geiseln wieder zurück nach Hause zu bringen." Er hoffe, dass in den nächsten Wochen ein Geiseldeal möglich werde, sagte Prosor.
Man dürfe allerdings Ursache und Wirkung nicht verwechseln. "Das Problem ist nicht Netanjahu, das Problem ist Hamas." Es könne sofort einen Waffenstillstand in Gaza geben, wenn die Terrororganisation die Geiseln freilassen würde. Die Hamas aber vergewaltige und foltere. "Wir haben es mit Barbaren zu tun."
Vergeltung gegen Iran werde kommen
Prosor machte wenig Hoffnung auf eine friedliche Lösung im Konflikt seines Landes mit Iran. Man müsse ernst nehmen, wenn die Mullahs und Ajatollahs die Vernichtung Israels anstrebten. "Mit denen kann man keinen Frieden schließen." Er versicherte, dass Israel Vergeltung für den iranischen Raketenangriff am letzten Dienstag üben werde. "Israel muss dagegen etwas tun - und die Welt sollte Israel dabei unterstützen." Der Iran versuche, den gesamten Nahen Osten zu verändern. "Wir müssen gegen diesen Terror zusammenhalten."
Der Botschafter wollte nicht beantworten, ob die iranischen Atomanlagen Ziel der Vergeltungsaktion werden könnten. Israel werde allein entscheiden, wo und wie es reagiere, so Prosor. Er wies allerdings auf die Gefahr des Nuklearprogramms des Iran hin. "Wenn sie jetzt Atomwaffen hätten, hätten sie sie benutzt."
Quelle: ntv.de, psc