Bundespräsidenten-Talk bei Will Ist Steinmeier der Richtige für den Job?
13.02.2017, 02:58 Uhr
Deutschlands neuer Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier
(Foto: imago/IPON)
In stürmischen Zeiten braucht es einen erfahrenen Bundespräsidenten, der dem Land vorsteht. Frank-Walter Steinmeier hat dieses Format. Zugleich gehört er zu einem politischen Establishment, mit dem manche Menschen fremdeln.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 931 von 1239 Delegierten haben für Frank-Walter Steinmeier gestimmt und den Ex-Außenminister damit zum zwölften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gekürt. Eine Überraschung ist das freilich nicht, schließlich wurde der SPD-Politiker nicht nur von seiner eigenen Partei, sondern auch von Union, FDP und Grünen unterstützt. Aber ist ein Einheitskandidat in Zeiten wachsenden Politikverdrusses in Teilen der Bevölkerung tatsächlich eine so gute Idee? Oder braucht es gerade einen Berufspolitiker wie Steinmeier, um die auseinanderdriftenden Lager wieder zusammenzuführen? Anders gefragt: Wie wird man Präsident aller Deutschen?
Darüber diskutieren am Sonntagabend bei "Anne Will" die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Gregor Gysi von den Linken, die Intendantin des Berliner Maxim Gorki Theaters, Shermin Langhoff, WeltN24-Chefredakteur Ulf Poschardt, sowie der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
Werbestunde für die deutsche Demokratie?
"Die Welt ist aus den Fugen, und da ist genau der Punkt: Weil Steinmeier keine Einarbeitungszeit braucht und sofort an den Start gehen kann, ist er genau der Richtige", ist Scheuer überzeugt. Eine Einschätzung, die Hannelore Kraft teilt: "Ich glaube, in diesen Zeiten ist es gut, politische Erfahrung ins Amt mitzubringen. Frank-Walter Steinmeier ist ein Brückenbauer, und genau solche Leute braucht unser Land heute!" Auch Langhoff vertraut auf Steinmeiers "gutes Netzwerk, das wir in unseren stürmischen Zeiten brauchen", während Journalist Poschardt den neuen Bundespräsidenten "untadelig" findet.
Der Einzige, der generelle Skepsis anmeldet, ist der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken: Persönlich ziehe er seinen Hut vor Steinmeiers Bedachtheit, aber "vielleicht müssen wir auch mal drüber nachdenken, eine Künstlerin oder einen Journalisten ins Amt zu wählen, kurzum: Wir dürfen nicht immer nur in unserer eigenen Soße herumschwimmen." Die Linke hatte genau das versucht und mit Christoph Butterwegge einen Professor aufgestellt, der als Armutsforscher nicht weiter vom politischen Establishment entfernt sein könnte. Dass Butterwege 128 Stimmen einsammeln konnte, obwohl die Linke nur 95 Delegierte in die Bundesversammlung mitbrachte, hält Gysi für ein deutliches Zeichen: "Überall, wo ich hinkomme, wächst das Misstrauen gegen uns. Wenn ich merke, dass so eine Stimmung entsteht, muss ich handeln. Es gibt zu viele Vorwürfe gegen das politische Establishment, um sich dessen nicht anzunehmen."
"Wir sind nicht die USA und wir sind auch nicht Frankreich: Wir haben keine Politiker, die alle von der gleichen Eliteuniversität kommen", widerspricht die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und bekommt Rückendeckung von WeltN24-Chefredakteur Poschardt: "Ich glaube, dass das politische Establishment in Deutschland gar nicht viel besser sein könnte - das war heute eine Werbestunde für unsere Demokratie."
"Können wir uns den Wahlkampf nicht aufheben?"
Keine Werbestunde für unsere Demokratie ist dagegen der Wahlkampfmodus, in den die drei Berufspolitiker schon nach kurzer Zeit schalten: Anstatt näher auf die Vorzüge und Nachteile eines Frank-Walter Steinmeiers als Bundespräsident einzugehen, nutzen alle drei die Fernsehbühne für eine Art vorgezogenen Wahlkampf. Vor allem CSU-Mann Scheuer kann es nicht lassen, immer wieder Spitzen Richtung SPD zu schicken und in schillernden Farben an die Wand zu malen, wie das Land unter einer rot-rot-grünen Bundesregierung in den Kommunismus abdriften würde. Irgendwann wird es dann selbst den anderen beiden Politikern zu viel: "Können wir uns den Wahlkampf nicht für später aufheben?", fragt Gysi und bekommt durch ein lautes "Genau!" von Kraft Rückendeckung.
Viel gehaltvoller wird die Diskussion im Anschluss allerdings auch nicht mehr. Alle Teilnehmer scheinen ihr Pulver in der ersten halben Stunde verschossen zu haben und ergehen sich später größtenteils nur noch in allzu bekannten Allgemeinplätzen über die AfD und den Umgang mit der Partei und ihren Wählern. Während ein Lager den Dialog suchen will, möchte das andere eine klare Linie ziehen. Das hört sich dann ungefähr so an: "Ist das Marginalisieren und Denunzieren wirklich das richtige Mittel, um mit den AfD-Wählern umzugehen? ", fragt Poschardt. "Denunzierung und Marginalisierung ist das Lieblingsinstrument dieser Partei", antwortet Theatermacherin Langhoff.
"Wollen wir statt über die AfD nicht lieber noch ein bisschen über unseren neuen Bundespräsidenten sprechen?", stellt Kraft gegen Ende der Sendung die richtige Frage. Kurzes Schweigen, dann ein zögerliches Nicken aller Beteiligten. Aber da hat die AfD die Sendezeit mal wieder aufgefressen.
Quelle: ntv.de