Politik

Das Parlament und Känguru-Hoden Johnson witzelt sich um Brexit-Deal herum

Der Entertainer, der auch Premier ist: Johnson wirbt für den Brexit, komme, was wolle.

Der Entertainer, der auch Premier ist: Johnson wirbt für den Brexit, komme, was wolle.

(Foto: imago images/ZUMA Press)

Kurzzeitig sind sie fast vergessen, die Niederlagen, die Affären, der drohende Chaos-Brexit. Auf dem Tory-Parteitag kalauert sich Premierminister Johnson durch seine Rede - und zeichnet das Bild eines aufblühenden Landes. Doch noch immer bleibt vage, wie genau der Brexit-Deal aussehen soll.

Eines muss man Boris Johnson lassen: Ist die Lage noch so vertrackt, Witze reißen kann er. Auf dem Parteitag der Konservativen in Manchester stapft er mit vorgebeugten Schultern auf die Bühne und schafft es innerhalb kürzester Zeit, die versammelten Tories zum Lachen und Jubeln zu bringen - als stecke das Land nicht in einer der tiefsten Krisen seit Jahrzehnten und er selbst in diversen Affären. Mantraartig wiederholt Johnson unter lautem Applaus den Slogan, der - damit es jeder versteht - in der großen Halle auch überall zu lesen ist: "Lasst uns den Brexit durchziehen!"

Das ist es, was der Premierminister bereits seit seinem Amtsantritt vor 70 Tagen vertritt: Am 31. Oktober wird Großbritannien die EU verlassen, mit oder ohne Deal. Bisher gibt es zwar keinen Abkommen, auf das sich das Parlament einigen konnte. Doch für diesen Mittwoch hatte Johnson ein "finales Angebot" angekündigt, um eine Vereinbarung mit der EU zu treffen. Die Details, so kündigt er nun auf dem Parteitag an, werde er noch im Laufe des Tages an Brüssel übermitteln.

Wie diese Details aussehen, verliert sich allerdings bei seiner Rede im Nebel blumiger Worte und Witzeleien. Seinen Parteifreunden verkündet er nur vage, dass seine Vorschläge für ein neues Brexit-Abkommen keine Kontrollen "an oder nahe" der Grenze zwischen Nordirland und Irland vorsehen. Dies sei ein Kompromiss Großbritanniens, und er hoffe sehr, dass die europäischen Freunde dies verstünden. Die Alternative dazu sei ein No Deal. "Er ist nicht das, was wir uns wünschen. Aber wir sind dazu bereit." Um die Stimmung anzuheizen, ruft er daraufhin noch einmal in den Saal: "Sind wir dazu bereit?" Woraufhin es ihm unter Gejohle entgegenschallt: "Ja, wir sind bereit."

Das Problem ist nur: Selbst wenn die Tories zu einem No-Deal-Brexit bereit sind, das Unterhaus ist es nicht. Es hat kürzlich erst das sogenannte No-Deal-Gesetz verabschiedet, das einen Chaos-Brexit an Halloween ausschließt. Johnson lässt allerdings keine Gelegenheit aus zu betonen, dass er den Brexit durchzieht, komme was wolle. Schließlich, so seine Argumentation, wolle die Regierung den Willen der Briten respektieren, die 2016 mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt hatten.

Johnson überzieht Unterhaus mit beißendem Spott

In Johnsons Argumentation geht es nun vor allem darum: Wir gegen die. Das Volk und die Tories gegen das Establishment, womit er vor allem die sperrigen Abgeordneten im Unterhaus meint. Bei seiner Rede in Manchester überhäuft Johnson die Parlamentarier, die ihm in seiner kurzen Amtszeit als Premier eine Niederlage nach der anderen beschert haben, mit beißendem Spott: "Wenn das Unterhaus eine Schule wäre, wäre es längst geschlossen worden. Wenn das Parlament eine Reality-Sendung wäre, wären alle von uns längst aus dem Dschungel herausgestimmt worden." Und dann fügt Johnson, dessen Vater Stanley im Übrigen selbst an der britischen Dschungelcamp-Version teilnahm, unter dem Gelächter der Zuschauer an: "Aber zumindest hätten wir dann den Sprecher sehen können, wie er gezwungen worden wäre, Känguru-Hoden zu essen."

Schlimmer als das Parlament kommt in seiner Rede nur noch Labour-Chef Jeremy Corbyn weg, den Johnson am liebsten in einer britischen Rakete ins All schießen würde. Glaubt man Johnson, ist es keine Frage: Corbyn ist ein Kommunist, der vor allem die Steuern erhöhen und innerhalb kürzester Zeit das Land ruinieren wird. Demgegenüber zeichnet er ein Bild der Tories, die Großbritannien einer immer rosigeren Zukunft entgegenführen. Mehr Krankenhäuser, mehr Jobs, mehr Sicherheit, höhere Einkommen, bessere Schulen. Tatsächlich haben die Tories auf diesem Parteitag einen Haufen Versprechungen gemacht, wohl vor allem mit einem Ziel: das Wahlvolk zu beglücken.

Schließlich befindet sich Johnson schon seit Monaten im Wahlkampfmodus. Und laut Umfragen sind die Chancen gut - trotz diverser Abstimmungsniederlagen im Unterhaus, einem vernichtenden Urteil des obersten Gerichts, das seine Zwangspause des Unterhauses abschmetterte, trotz seiner aggressiven Sprache und vermutlich auch trotz der jüngsten Vorwürfe wegen Begünstigung einer angeblichen Geliebten und Grapschereien bei Frauen.

Bisher ist es allerdings alles andere als klar, wann es zu Neuwahlen kommt. Nur so viel steht fest: Ende des Monats soll das Land die EU verlassen, und keiner weiß, wie. Da wird es für die meisten Briten ein schwacher Trost sein, wenn Johnson in Manchester eine besondere Eigenheit der Briten preist: "Wir hatten immer den Mut, originell zu sein, Dinge anders zu machen, und nun sind wir dabei einen weiteren gigantischen Schritt zu machen und etwas zu tun, von dem niemand geglaubt hätte, dass wir es machen können."

Quelle: ntv.de

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