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Keir Starmer hat es geschafft Der Mann mit dem komischen Vornamen wird neuer britischer Premier

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Nachdem Keir Starmer in der Tate Modern in London zu Anhängern gesprochen hat, küsst er seine Frau Victoria.

Nachdem Keir Starmer in der Tate Modern in London zu Anhängern gesprochen hat, küsst er seine Frau Victoria.

(Foto: dpa)

Seine Kritiker halten Oppositionsführer Keir Starmer für einen farblosen Opportunisten. Seine Anhänger hingegen loben den 61-Jährigen als pragmatischen Manager. Der Labour-Chef hat die Wahl in Großbritannien gewonnen und die 14-jährige Regierungszeit der Konservativen beendet.

Seine Wahlkampagne war bewusst unspektakulär, sein Auftritt nüchtern. "Ich kandidiere als Premierminister, nicht als Zirkusdirektor", sagte Keir Starmer. Der Chef der sozialdemokratischen Labour-Partei inszeniert sich als Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik. Und danach scheinen sich die Briten zu sehnen, nach 14 Jahren teils chaotischer Regierung der Konservativen.

"Wir haben es geschafft", freute sich Starmer am Wahlabend. Die Konservativen haben so schlecht abgeschnitten wie noch nie, Labour dagegen fast so hoch gewonnen wie beim legendären Sieg 1997. Großbritannien wählt nach dem Mehrheitswahlrecht: Das Unterhaus besteht aus Abgeordneten, die jeweils ihren eigenen Wahlkreis gewonnen haben. Das landesweite Abschneiden der Parteien spielt für die Verteilung der Sitze keine Rolle. Noch an diesem Freitag wird König Charles III. Starmer mit der Regierungsbildung beauftragen.

Benannt nach dem Labour-Gründer

Vor allem den konservativen Tories hat Starmer es zu verdanken, dass er jetzt in das berühmte Haus in der Londoner Downing Street Number 10 einzieht. Noch vor wenigen Jahren hätte das kaum jemand für möglich gehalten. Der 61-Jährige ist ein Spätberufener der Politik, seine Karriere startete er als Jurist.

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Starmer wurde am 2. September 1962 geboren und wuchs mit drei Geschwistern in einem beengten Reihenhaus am Stadtrand von London auf. Der Vater Werkzeugmacher, die Mutter Krankenschwester und selbst schwer krank. Ihrem Sohn gaben sie den ungewöhnlichen Vornamen Keir - eine Hommage an den Politiker Keir Hardie, der im Jahr 1900 die Labour-Partei gründete.

"Ich weiß, wie es ist, wenn man sich schämt, seine Freunde nach Hause zu bringen, weil der Teppich ausgetreten und die Fenster gesprungen sind", erzählt Starmer einmal von seiner Kindheit und widersprach damit seinen Gegnern, die ihn als Teil einer selbstgefälligen liberalen Londoner Elite darstellen.

Befreundet mit Amal Clooney

In der Schule lernte er zusammen mit Norman Cook, dem späteren DJ Fatboy Slim, Geige. Am Wochenende besuchte er eine renommierte Londoner Musikschule. Starmer studierte in Leeds und Oxford Jura und wurde Menschenrechtsanwalt. Er verteidigte Gewerkschaften, legte sich mit McDonald's an und setzte sich für zum Tode Verurteilte in der Karibik ein. Mit der prominenten Menschenrechtsanwältin Amal Clooney ist er seit ihrer gemeinsamen Zeit in einer Kanzlei befreundet.

Kollegen und Freunde waren überrascht, als Starmer sich 2003 in Richtung Establishment zu bewegen begann: In diesem Jahr wurde er Menschenrechtsberater der nordirischen Polizeibehörde und sollte in dieser Funktion dafür sorgen, dass die Polizei in Nordirland die Menschenrechte einhielt. Fünf Jahre später ernannte ihn die damalige Labour-Regierung zum Generalstaatsanwalt für England und Wales.

Bis 2013 organisierte Starmer Anklagen gegen Abgeordnete, die ihre Spesen missbrauchten, gegen Journalisten, die Telefone abhörten, und gegen junge Randalierer der Unruhen von 2011. Königin Elizabeth II. schlug Starmer zum Ritter, den Titel "Sir" verwendet er jedoch kaum.

Erst seit 2015 in der Politik

2015 dann das erste politische Amt: Zwei Wochen nach dem Tod seiner Mutter wurde er in einem traditionellen Labour-Wahlkreis im Norden Londons ins Parlament gewählt. Ein Jahr später beteiligte Starmer sich an der erfolglosen Rebellion gegen den linken und umstrittenen Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn, der heute seinen Wahlkreis als unabhängiger Kandidat gewann.

Dennoch wurde Starmer zum Labour-Sprecher zum Thema Brexit - gegen den er gestimmt hatte -, bevor er im April 2020 Corbyn an der Parteispitze ablöste. Seitdem rückte er Labour deutlich in Richtung Mitte und kämpfte gegen den Antisemitismus in der Partei. Corbyn wurde 2020 suspendiert und in diesem Jahr, nachdem er seine Kandidatur gegen einen Labour-Kandidaten erklärt hatte, aus der Partei ausgeschlossen.

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Im Rampenlicht scheint sich Starmer mitunter noch immer unwohl zu fühlen. Doch er bemüht sich, sein Image als steifer Langweiler abzulegen. "In der Politik geht es ums Dienen", sagte er kürzlich in einer Wahlkampfrede. "Erst das Land, dann die Partei", lautet sein Mantra. Nach seinem Wahlsieg wies die konservative "Times" ironisch darauf hin, dass er in der Wahlnacht sage und schreibe zweimal gelächelt habe. Einmal habe es sogar echt ausgesehen.

Als Regierungschef warten große Herausforderungen auf Starmer, die seine fünf konservativen Vorgängerinnen und Vorgänger nicht meistern konnten. Doch die größte Sorge des Labour-Politikers bei einem Einzug in die Downing Street gilt seinen beiden Teenagern, die er wie seine Frau Victoria aus dem Wahlkampf heraushält: "Sie sind in einem schwierigen Alter", sagte er. "Meine einzige Angst ist, wie sich das auf sie auswirken wird."

Quelle: ntv.de, hvo/AFP

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