Politik

Treffen sie rechtzeitig ein? Kiew hofft auf Panzer vor neuer russischer Offensive

Mit Kampfpanzern aus dem Westen könnten die ukrainischen Streitkräfte selbst eine Offensive im Donbass starten.

Mit Kampfpanzern aus dem Westen könnten die ukrainischen Streitkräfte selbst eine Offensive im Donbass starten.

(Foto: picture alliance / AA)

Der Kampf in der Ukraine ist seit Monaten ins Stocken geraten. Die russischen Truppen können die Frontlinie nicht durchbrechen, und die Ukrainer warten immer noch auf Waffenlieferungen aus dem Westen. Schafft es Putin anzugreifen, bevor die westlichen Panzer die Front erreichen?

Seit Monaten bewegt sich der Krieg in der Ukraine im Schneckentempo. Weder die ukrainische noch die russische Seite können nennenswerte Erfolge für sich verbuchen. Doch nun sehen Experten wieder Bewegung an den Frontlinien. Die Ukraine bereitet sich auf die lange angekündigte und erwartete Offensive Russlands vor. "Wir wissen, dass sie kommen", sagte ein ukrainischer Soldat der US-Zeitung "Washington Post". "Wir wissen nur nicht, wohin." Doch die Ukraine könnte mit schwerem Gerät aus dem Westen selbst eine Offensive wagen.

"Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass beide Seiten in die Offensive gehen wollen", sagte Mick Ryan, ein pensionierter Generalmajor der australischen Armee, der US-Zeitung "New York Times". "Es kommt wirklich darauf an, wie viel Kapazität beide Seiten dafür haben."

In einer Rede Ende Januar bekräftigte der russische Präsident Wladimir Putin erneut sein Ziel, die gesamte Donbass-Region für sich zu beanspruchen. Dem ukrainischen Geheimdienst zufolge erteilte Putin den Befehl, die Region bis März einzunehmen, wie die "New York Times" berichtet. Demnach sollten 320.000 russische Soldaten schon in der Ukraine sein, 150.000 weitere Soldaten wären bereits in Trainingslagern.

Bakhmut, Kreminna, Vuhledar

Nach Angaben der Zeitung haben die russischen Streitkräfte bereits die östliche Frontlinie verstärkt, um wichtige ukrainische Stellungen angreifen zu können. Der Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, sagte in einem seltenen Interview mit einem russischen Militärkorrespondenten, entscheidend sei vor allem der symbolträchtige Kampf um Bachmut. Hier würden die russischen Streitkräfte jedoch auf erheblichen Widerstand von ukrainischer Seite stoßen. "Warum wird Bachmut als Fleischwolf bezeichnet? Weil die ukrainische Armee immer mehr und mehr Einheiten schickt", sagte Prigoschin.

Auch nach Angaben des örtlichen Gouverneurs hat Russland seine Angriffe in der Ostukraine deutlich verstärkt. Die russische Armee versuche, die ukrainischen Linien bei Kreminna zu durchbrechen, sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, dem ukrainischen Fernsehen. Sollten die russischen Streitkräfte die ukrainischen Verteidigungsstellungen durchbrechen, könnten sie ein Stück weiter in Richtung der Großstadt Kramatorsk vorrücken.

Dazu steht die strategisch wichtige Stadt Vuhledar im Zentrum der aktuellen russischen Militärstrategie. Hier verläuft die Frontlinie nur wenige Kilometer von der einzigen Eisenbahnverbindung zur Krim entfernt. Nach Angaben des britischen Geheimdienstes gingen jedoch bei einem Angriff um die Stadt nördlich von Mariupol Dutzende russischer Panzer verloren.

Will Russland einkesseln?

Der verstärkte Einsatz der Russen in Vuhledar und Kreminna lässt Hinweise auf die möglichen nächsten Schritte der russischen Militärstrategie zu, wie die "New York Times" unter Berufung auf hochrangige ukrainische Kreise berichtet. Die Aufstellungen deuten darauf hin, dass sich die Russen darauf vorbereiten könnten, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln. Die russische Armee werde versuchen, den Donbass einzunehmen und dann "den Abschluss ihrer militärischen Sonderoperation" verkünden und zu Verhandlungen aufrufen, so Andriy Zagorodnyuk, ehemaliger ukrainischer Verteidigungsminister, gegenüber der Zeitung. Allerdings wäre dies der dritte Versuch Russlands, den Donbass seit Beginn des Krieges zu erobern. Die ersten beiden Versuche waren gescheitert.

Nach Angaben des britischen Geheimdienstes hat Russland jedoch inzwischen den größten Teil der Reservisten eingesetzt. Infolgedessen stünde das Militär vor der schwierigen Entscheidung, entweder weiter Kräfte zu verlieren, die Ziele zu reduzieren oder eine weitere Mobilisierung durchzuführen.

Ukraine plant selbst neue Offensive

Auch die Ukraine plant derzeit ihre eigene Offensive. Nach der Zusage von Kampfpanzern aus dem Westen schreitet das Land mit Ausbildungen weiter. Kampfpiloten und Marinesoldaten sollen dem britischen Premierminister Rishi Sunak zufolge in Großbritannien ausgebildet werden. Mit schweren Waffen und Munition will die Ukraine der russischen Armee "die Knochen brechen", sagte Oleksandr Danylyuk, ein ehemaliger Direktor des nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, der "New York Times".

Mehr zum Thema

Eine ukrainische Offensive Richtung Osten sei derzeit weniger wahrscheinlich, so Analysten gegenüber der Zeitung. Vielversprechender wäre eine Erweiterung in den Süden in Richtung Melitopol. So könnte die Ukraine einen Keil zwischen russische Streitkräfte treiben und sie in zwei Zonen aufteilen, sagten Militäranalysten der "New York Times". Ziel sei es, die russischen Linien im Süden zu durchbrechen und die von der Krim ausgehenden Nachschublinien zu gefährden.

Es scheint sich nun ein Wettlauf zwischen den ukrainischen und russischen Streitkräften zu entwickeln. Wie ukrainische Beobachter erwarten, müsste Putin schnell handeln, bevor westliche Waffen in der Ukraine eintreffen. Moskau beobachte die Ankündigungen westlicher Waffenlieferungen, so der ehemalige nationale Sicherheitsberater Danylyuk zur "New York Times", und wolle "sicher sein, dass Russland in der Lage ist zu handeln, bevor wir bekommen, was wir wollen".

Quelle: ntv.de, mit dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen