Der Kriegstag im Überblick Kiew sieht Russlands Raketenvorrat schwinden - Kreml-Truppen stecken fest
27.08.2022, 21:16 Uhr
Ein russischer Soldat bei der Minenräumung: Die Geländegewinne im Osten der Ukraine sind minimal.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Die ukrainischen Geheimdienste berichten, dass Moskau seine Vorräte an Raketen bereits halbiert habe. Erstmals seit Mitte August melden die Kreml-Truppen keinerlei Gebietsgewinne. Deutschland geht bei einer polnischen Waffenbestellung leer aus.
Die ukrainischen Geheimdienste berichten, dass Moskau seine Vorräte an Raketen bereits halbiert habe. Erstmals seit Mitte August melden die Kreml-Truppen keinerlei Gebietsgewinne. Putin versucht, Kriegsflüchtlinge mit einem Aufenthaltsrecht in Russland zu ködern und Deutschland geht bei einer polnischen Waffenbestellung leer aus. Der 185. Kriegstag im Überblick.
Kiew: Russische Vorstöße im Osten gestoppt
Der ukrainischen Armee ist es gelungen, in der Region Donezk Vorstöße russischer Truppen rund um Soledar, Zaitseve und Mayorsk zurückschlagen. Das berichtet der britische "Guardian" unter Berufung auf das Militärkommando der Ukraine. Am Morgen hatten britische Geheimdienste gemeldet, dass Russland versuche, im Osten Druck auf die ukrainischen Kräfte zu machen. So sollten die Offensiven der Ukraine im Süden des Landes ausgebremst werden.
Im Süden der Ukraine gelang es Kiews Streitkräften nach eigener Darstellung, ein Luftabwehrsystem in der Region Cherson zu zerstören. Zwei wichtige Brücken in der Region blieben wegen fortgesetzten Beschusses unbenutzbar für die russischen Truppen, hieß es.
Gigantische Zerstörung in Mykolajiw
Im schwer umkämpften Oblast Mykolajiw, westlich von Cherson, sind nach Angaben der regionalen Militärverwaltung 10.000 Gebäude durch russische Angriffe zerstört worden. Unter den Gebäuden seien 6466 Ein- und Mehrfamilienhäuser, 331 Bildungseinrichtungen, 117 Firmengebäude und 67 medizinische Einrichtungen, berichtet "Kyiv Independent" unter Berufung auf die Militärverwaltung. Der Oblast an der Schwarzmeermündung des Flusses Bug steht seit Wochen im Zentrum der Auseinandersetzungen und ist eine Art Bollwerk, um ein Vorrücken der Russen Richtung Odessa zu verhindern.
Geheimdienste: Moskaus Raketen gehen zur Neige
Nach dem wochenlangen schweren Beschuss sehen ukrainische Geheimdienste die russische Armee vor großen Problemen: Russland habe im Vergleich zum Stand des Kriegsbeginns nur noch 45 Prozent seiner Raketen übrig. Das ukrainische Nachrichtenportal "Kyiv Independent" zitierte den Geheimdienstverantwortlichen Vadym Skibitkskyi, demzufolge Russland nur noch "20 Prozent oder weniger" seiner Iskander-Raketen zur Verfügung habe. Nachdem die russische Armee am Boden zuletzt hohe Verluste erlitten hatte, trieben die Kreml-Truppen in den vergangenen Wochen ihre Offensivbewegungen vor allem durch massiven Raketenbeschuss voran.
Auch das amerikanische Institute for the Study of War (ISW) diagnostizierte einen militärischen Stillstand: Zum ersten Mal seit dem 18. August meldeten die russischen Streitkräfte demnach keine Gebietsgewinne. Augenzeugen sahen jedoch am russischen Bahnhof Taman, der an der Brücke zur annektierten Krim liegt, Waggons mit schwerem militärischem Gerät. Das berichtete das ukrainische Nachrichtenportal "Kyiv Independent".
AKW Saporischschja erneut beschossen
Im Atomkraftwerk Saporischschja besteht nach Angaben des Betreibers das Risiko, dass Radioaktivität austritt. Durch einen erneuten Beschuss sei die Infrastruktur beschädigt worden, teilte der staatliche Energiekonzern Energoatom mit. Das AKW läuft demnach "mit dem Risiko, Radioaktivitäts- und Feuerschutz-Standards zu verletzen". Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, in den vergangenen 24 Stunden das AKW-Gelände in Saporischschja beschossen zu haben.
Jodtabletten an Bewohner verteilt
Aus Angst vor radioaktiver Strahlung wurden an die Einwohner von Saporischschja laut einem Bericht der britischen "Sun" Jodtabletten verteilt. Europas größtes Atomkraftwerk in der Stadt war über mehrere Stunden vom Stromnetz getrennt. Das hätte zu einem Super-GAU führen können, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Putin verspricht Ukrainern Aufenthaltsrecht in Russland
Russlands Präsident Wladimir Putin gewährte nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti allen Staatsbürgern der Ukraine sowie der selbsternannten, abtrünnigen Volksrepubliken Luhansk und Donezk per Dekret ein unbefristetes Aufenthaltsrecht für die Russische Föderation. Voraussetzung sei die Abnahme von Fingerabdrücken, Fotos und eine ärztliche Untersuchung.
Das Aufenthaltsrecht umfasst auch eine Arbeitserlaubnis. Des Weiteren sollen per Präsidialdekret Rentner, Behinderte und Schwangere in Russland Sozialleistungen erhalten, wenn sie aus der Ukraine geflohen sind.
Polen kauft Waffen in Südkorea
Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine kaufte Polen für rund 5,8 Milliarden Dollar schweres Kriegsgerät in Südkorea. Die Behörden in Seoul erklärten, Polen habe mit zwei südkoreanischen Rüstungsfirmen die Lieferung von Panzern des Typs K2 Black Panther und Panzerhaubitzen vom Typ K9 vereinbart.
"Von Berlin enttäuscht"
Die "Welt am Sonntag" berichtete unter Berufung auf polnische Regierungskreise, an deutsche Rüstungskonzerne wie Rheinmetall oder Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gingen keine Aufträge aus Warschau. Polen seien die deutschen Lieferzeiten zu lang. Zudem sei Polen enttäuscht über die zögerliche deutsche Haltung bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. So frage man sich in Warschau, ob man sich etwa auf Munitionslieferungen aus Deutschland verlassen könne, wenn Russlands Armee die Grenze zu Polen überschreite.
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Quelle: ntv.de, mau/dpa/rts