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Erstes Hilfsschiff legt an Kinder in Gaza akut vom Hungertod bedroht

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Anfang des Monats berichtet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation von verhungerten Kindern in Gaza. Jetzt schlägt auch UNICEF Alarm. Die Krise verschlimmere sich "schockierend schnell". Die anlaufenden Nahrungslieferungen per Schiff reichten nicht aus, warnen Hilfsorganisationen.

Im nördlichen Gazastreifen sind nach Erkenntnissen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF 31 Prozent der Kinder unter zwei Jahren akut mangelernährt. Im Januar seien es noch 15,6 Prozent der Kinder gewesen, teilte die Organisation mit. In dem Teil des Gazastreifens ist die Versorgungsnotlage aufgrund des anhaltenden Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas besonders schlimm.

Daten, die UNICEF und Partner im Februar im Norden des Gazastreifens erhoben hätten, zeigten, dass 4,5 Prozent der Kinder in Notunterkünften und Gesundheitszentren an schwerer akuter Mangelernährung litten. Diese schwerste Form der Mangelernährung sei lebensbedrohlich, wenn Kinder nicht sofort therapeutische Nahrung und medizinische Hilfe erhielten. Diese ist vor Ort demnach jedoch nicht verfügbar.

Anfang dieses Monats hatten die Weltgesundheitsorganisation und das UN-Nothilfebüro OCHA bereits von mehreren Fällen berichtet, in denen Kinder im Norden des Gazastreifens verhungert seien. "Die Geschwindigkeit, mit der sich diese katastrophale Hungerkrise bei Kindern im Gazastreifen entwickelt hat, ist schockierend, insbesondere, da die dringend benötigte Hilfe nur ein paar Kilometer entfernt bereitsteht", erklärte UNICEF-Leiterin Catherine Russell mit Blick auf die nahe Grenze zu Israel.

Hunger auch im Süden des Gazastreifens

Der Großteil der Bevölkerung des nördlichen und mittleren Gazastreifens ist auf Drängen des israelischen Militärs in den Süden des abgeriegelten Küstengebiets geflohen. Im Norden von Gaza blieben mehrere Hunderttausend Menschen zurück. Viele sind zwischenzeitlich auch zurückgekehrt, seit Israel seine Angriffe im Süden des Gebiets intensiviert hat. Hilfslieferungen dringen zu den Menschen im nördlichen Gazastreifen nur in geringem Maße vor. Dem Welternährungsprogramm zufolge sind Lieferungen kaum möglich. Auch würden Helfer behindert und Konvois geplündert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treibt trotz laufender Verhandlungen über eine Waffenruhe eine Bodenoffensive im Gazastreifen voran und lässt humanitäre Hilfe beschränken. Innerhalb des Küstengebiets erschweren Beschränkungen des Militärs, Kampfhandlungen sowie das Chaos nach der Zerschlagung der von der Hamas aufrechterhaltenen Ordnung den Transport von Gütern.

Aber auch in anderen Teilen des Gazastreifens hungern UNICEF zufolge viele Kinder. Erstmals erhobene Daten in Chan Junis im südlichen Gazastreifen zeigten, dass dort 28 Prozent der Kinder unter zwei Jahren akut mangelernährt seien - zehn Prozent von ihnen würden bereits unter schwerer Auszehrung leiden. Selbst in Rafah, dem Ort mit dem besten Zugang zu Hilfsgütern, hat sich die Zahl der akut mangelernährten Kinder unter zwei Jahren von fünf Prozent im Januar auf zehn Prozent Ende Februar verdoppelt. Die Zahl der schwer mangelernährten Kinder vervierfachte sich innerhalb eines Monats von einem Prozent auf mehr als vier Prozent.

Inzwischen ist eine erste Hilfslieferung auf dem Seeweg in Gaza angekommen. Das Schiff "Open Arms" mit einer Ladung von 200 Tonnen Lebensmitteln ankert seit Freitag vor der Küste des abgeriegelten Küstengebiets, wie die an der Mission beteiligte Organisation "World Central Kitchen" (WCK) auf X mitteilte. Von einer schwimmenden Plattform, die die "Open Arms" von Zypern aus Hunderte Kilometer übers Meer bis nach Gaza geschleppt hatte, wurden Lebensmittel und Trinkwasser ans Ufer gebracht, wie das israelische Militär mitteilte, das die Landestelle an der Küste sichert. 60 Küchen, die WCK zusammen mit örtlichen Partnern betreibt, sollen daraus Mahlzeiten zubereiten und an die hungernden Menschen verteilen. Unabhängig davon planen die USA einen maritimen Korridor nach Gaza, für den das US-Militär ein schwimmendes Dock nahe der Gaza-Küste errichten soll.

Lieferungen auf Landweg unersetzbar

Hilfsorganisationen betonen allerdings seit Wochen, dass Hilfslieferungen über den Seeweg und aus der Luft allein die Versorgung der Menschen im Gazastreifen allein nicht sicherstellen könnten. Alle rund 2,4 Millionen Einwohner des Palästinensergebiets sind derzeit vollständig auf die Lieferung von Nahrungsmitteln und anderer lebensnotwendiger Güter sowie medizinische Hilfe von außen angewiesen. Das entspricht Transporten von Tausenden Tonnen täglich.

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen im Krieg bislang 31.490 Palästinenser ums Leben, weitere 73.439 erlitten Verletzungen. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen und unterscheiden nicht zwischen bewaffneten Kämpfern und Zivilisten. Zugleich ist laut der Behörde eine große Zahl von Menschen in diesen Zahlen nicht erfasst, die noch unter Trümmern vermutet werden. Auslöser des Kriegs war das beispiellose Massaker, das die Hamas und andere Terrorgruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübten. Diese Gruppen halten weiter über 100 Israelis in Geiselhaft.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa

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