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Linnemann neuer Generalsekretär Kippt die CDU jetzt nach rechts?

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Linnemann und Merz haben viele ähnliche Eigenschaften - dass der Paderborner Generalsekretär wird, stärkt den konservativen und wirtschaftsliberalen Flügel der CDU.

Linnemann und Merz haben viele ähnliche Eigenschaften - dass der Paderborner Generalsekretär wird, stärkt den konservativen und wirtschaftsliberalen Flügel der CDU.

(Foto: dpa)

Dass Carsten Linnemann neuer Generalsekretär der CDU wird, trifft auf viel Zustimmung. Doch nun stehen zwei westdeutsche Männer vom Wirtschaftsflügel an der Spitze der Partei. Das wird nicht jedem gefallen.

Als Carsten Linnemann am Mittag im Konrad-Adenauer-Haus erstmals als Generalsekretär das Wort ergreift, verspricht er gleich Tempo: "Ich muss mich jetzt sofort an die Arbeit machen", sagt er. Kurz zuvor hatte ihn der Bundesvorstand einstimmig und ohne Enthaltung als neue Nummer 2 der Partei angenommen; er ist kommissarisch im Amt, bis ein Parteitag ihn im nächsten Jahr wählt. Gemeinsam mit Parteichef Friedrich Merz und seinem Vorgänger Mario Czaja steht er danach vor der Presse. Mit Hessens Ministerpräsident Boris Rhein habe er gesprochen und ihm gesagt, dass er sofort alles in Bewegung setzen werde, um dessen Wahlkampf zu unterstützen. "Wir müssen kampagnenfähig werden." Das Wörtchen "sofort" fällt gleich mehrfach in seinem kurzen Statement.

Dieses verbale In-die-Hände-Spucken dürfte genau das sein, was sein Vorsitzender von Linnemann erwartet. Doch nun stellt sich die Frage, wo die Reise für die CDU hingeht. Czaja war als Ostdeutscher und Vertreter des Sozialflügels ein Gegenstück zu Merz - Linnemann hingegen hat vieles mit ihm gemeinsam. Er ist Westfale, wirtschaftsliberal und männlich. Beide scheuen sich nicht, Integrationsprobleme anzusprechen. Und: Beide sind keine Fans von Altkanzlerin Angela Merkel. Es hat sicher Vorteile für eine Partei, wenn alle an der Spitze an einem Strang ziehen. Aber klar ist auch, dass die CDU konservativer auftreten und dies innen wie außen nicht jedem gefallen wird.

"Man versucht das, was die FDP innerhalb der Koalition macht, noch deutlicher in der Opposition zu praktizieren und sich stärker für Industrie- und Wirtschaftspolitik einzusetzen", erwartet der Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf. "Dafür bietet sich jemand an, der früher Chef der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU war." Er sieht die Nominierung Linnemanns auch im Zusammenhang mit der Merz-Aussage, die Grünen seien der Hauptgegner der Union. Dabei stelle sich die Frage, was das Gegenmodell zu den Grünen sei. "Das ist ein Modell, das stärker Richtung Wirtschaftsliberalität und weniger Richtung Sozialpolitik geht."

"Das trifft vor allem die kleinen Leute"

Merz versucht, dieser Sicht am Mittag entgegenzuwirken. Die CDU sei noch immer die Partei der sozialen Marktwirtschaft. "Wirtschafts- und Sozialpolitik sind keine Gegensätze", sagt er. "Insofern sind wir beide Vertreter des gesamten Spektrums der CDU, auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik." Linnemann stimmt ein: Kompass der Partei sei das christliche Menschenbild. Den Mittelstand erwähnt er aber auch: Der brauche Planungssicherheit und Ziele. "Die Inflation verfestigt sich." Das treffe vor allem "die kleinen Leute im Land". Und weiter: "Wir müssen mehr für Menschen tun, die nicht mehr arbeiten können", so Linnemann. "Was ist mit den Maurern und Dachdeckern, die es nicht bis 63, 65 oder 67 schaffen? Wie gehen wir mit diesen Menschen um? Das ist CDU-Politik."

Die Herkunft Linnemanns habe keine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt, sagte Merz. Entscheidend sei die Qualifikation gewesen. Nordrhein-Westfalen sei zudem lange im Bundesvorstand unterrepräsentiert gewesen, jetzt sei das eben mal anders.

Keine große Sache also? Für die meisten Wähler dürfte es tatsächlich egal sein, woher das Personal kommt. Für die Partei selbst spielen solche Fragen allerdings schon eine Rolle. Aber: "Merz hat aktuell keine Konkurrenten um den Parteivorsitz mehr, insofern muss er auch nicht mehr so stark andere Parteiströmungen über den Generalsekretär integrieren", sagt Marschall ntv.de. Zu Beginn seines Vorsitzes dürfte es dagegen noch dringlicher erschienen sein, andere Strömungen an der Parteispitze vertreten zu sehen. "Die Rolle eines Generalsekretärs ist es aber nicht nur, die Partei nach innen zu einen, sondern vor allem nach außen stark aufzutreten. Insofern passt Linnemann gut zu Merz, was seine Ausrichtung und seine kommunikativen Fähigkeiten angeht."

Als Kämpfer in den Ring

Eben diese kommunikativen Fähigkeiten sieht Marschall als eine der Stärken Linnemanns. "Er ist einer, der Talkshows nicht aus dem Weg geht und immer kämpferischer aufgetreten ist als Czaja. Damit bringt er das Rüstzeug für die Aufgabe des Generalsekretärs mit. Er muss jetzt als Kämpfer in den Ring steigen." Ein Generalsekretär müsse fühlen, wie die Partei tickt und nach außen als Teil der Spitze die Partei verteidigen. "Aber ein Generalsekretär ist auch kein Zauberer."

Linnemanns Weg dürfte ihn in den Osten führen, wo im kommenden Jahr in Thüringen, Brandenburg und Sachsen gewählt wird. Dort ist der Hauptgegner der Partei allerdings nicht grün, sondern blau - die AfD liegt in allen drei Bundesländern in Führung und die CDU jeweils auf Platz zwei oder drei. Die Grünen hingegen überall unter zehn Prozent. "Gerade die konservativere Ausrichtung an der Spitze könnte helfen, nicht nur gegen die Grünen, sondern auch gegen die AfD Punkte zu machen", sagt Marschall.

Im Osten mag Merz' Schwenk nach rechts Chancen bieten - auf Bundesebene sieht es anders aus. Eine stärkere Abgrenzung von den Grünen mit stärkerem Wirtschaftsprofil macht eine Annäherung an die Grünen schwieriger. Die aber könnten eine wertvolle Koalitionsoption nach der Bundestagswahl in gut zwei Jahren sein. Wenn es schlecht läuft, schreckt die doppelte Ladung Konservative an der CDU-Spitze Wähler in der Mitte ab und treibt sie einer der Ampel-Parteien zu. So wie es Grünen-Politiker Konstantin von Notz auf Twitter über die beiden schrieb: "Zwei männliche Wessis, die die 80er Jahre schlimm vermissen." Es sei denn, Merz ändert sich. Marschall: "Linnemann gibt Merz die Möglichkeit, moderater aufzutreten. Das könnte eine Arbeitsteilung sein, die mit dem zurückhaltenden Czaja so nicht möglich war."

Quelle: ntv.de

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