Merz wechselt Generalsekretär Warum Carsten Linnemann der Richtige ist


Linnemann ist ein kämpferischer Konservativer - und dürfte die Partei nach außen hin wesentlich offensiver vertreten als Czaja das tat.
(Foto: dpa)
CDU-Chef Merz tauscht seinen Generalsekretär aus - auf Mario Czaja folgt Carsten Linnemann. Eine offensichtliche Wahl, denn Linnemann kann genau das, was seinem Vorgänger abging und die Partei jetzt braucht.
Eine kleine Bombe platzt am Dienstagnachmittag im politischen Berlin: Die CDU wechselt ihren Generalsekretär aus - auf Mario Czaja folgt Carsten Linnemann. Das kommt durchaus überraschend, vor allem, was den Zeitpunkt angeht. Der Berliner Czaja war gerade mal rund anderthalb Jahre im Amt und hatte nicht mit groben Patzern auf sich aufmerksam gemacht. Allerdings steckt darin schon ein Teil des Problems. Denn der freundliche Berliner machte insgesamt wenig auf sich aufmerksam.
Der neue Mann ist kein Unbekannter: Linnemann war lange Jahre Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU (MIT) und leitet seit dem vergangenen Jahr die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm der Partei. Dass Merz ihm diese Mammutaufgabe überließ, zeugte schon von Vertrauen. Nebenbei präsentierte sich der 45-jährige Paderborner als streitbares CDU-Gesicht in Talkshows, wo er leidenschaftlich für die Anliegen seiner Partei argumentierte. Und zeigte damit genau die Fähigkeit, die Czaja nicht nachwies - nach außen wirken zu können.
Das aber ist die Aufgabe eines Generalsekretärs. Der muss zwar im Konrad-Adenauer-Haus sitzen und die Parteiarbeit organisieren. Aber er muss die Parteizentrale auch mal verlassen und sich ins Getümmel stürzen. Die Abteilung Attacke gehört zur Job-Beschreibung eines jeden Generalsekretärs. Dessen Rolle ist es, den Parteivorsitzenden nach außen hin zu unterstützen und genau das kann Merz durchaus gebrauchen.
Denn die CDU steht zwar einerseits nicht schlecht da - sie ist in Umfragen seit dem vergangenen Jahr stärkste Kraft und nach dem Ampelhickhack der vergangenen Wochen sogar fast so stark wie SPD und Grüne zusammen. Andererseits geht es seit Monaten nicht weiter aufwärts. Die Marke von 30 Prozent scheint für die Partei eine gläserne Decke zu sein, die sie bislang nicht durchschlagen konnte. Dabei stehen die Chancen gerade dafür gut: Der Frust über die Ampelkoalition ist groß - doch statt der CDU profitiert die AfD, die im Trendbarometer von RTL und ntv aktuell 19 Prozent erreicht.
Dicke Brocken im Osten
Das ist heikel, weil in diesem Jahr noch in Bayern und Hessen wichtige Landtagswahlen anstehen. Im nächsten Jahr kommen aber die richtig dicken Brocken: drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die AfD liegt dort überall in Führung und könnte stärkste Kraft werden. Hinzu kommt die Europawahl im Juni 2024. Jemanden an der Parteispitze zu haben, der Wirkung nach außen entfalten kann, erscheint da umso wichtiger. Offenbar will Merz dem neuen Mann Zeit geben, sich in die Rolle einzufinden.
Zugleich ist Linnemann jemand, der nicht nur nach außen, sondern auch nach innen wirkt. Das war vor einigen Wochen beim Grundsatzkonvent der CDU zu beobachten, als er die Parteifreunde mit seiner Rede mitriss - während Czaja eher blass blieb. Auch das ist für die anstehenden Wahlkämpfe ein Pluspunkt.
Merz scheint die Lage jedenfalls für ernst genug zu halten, um alte Parteiprinzipien über Bord zu werfen. Denn Linnemann war schon bei seinem Amtsantritt Ende 2021 ein Kandidat für das wichtige Parteiamt. Allerdings kommt der Ostwestfale wie Merz aus NRW und damit aus dem gleichen Landesverband. Merz wollte damals jemanden, der sich von ihm abhebt. Die Wahl fiel auf Czaja, dem eigentlich Unmögliches gelungen war. Er hatte ein Direktmandat im Osten Berlins gewonnen. Das schaffte er, weil er viel vor Ort war, die Probleme der Menschen ernst nahm und so den Respekt der Wähler gewann, von denen überdurchschnittlich viele mit AfD und Linke sympathisieren. Insofern erschien er als kluge Wahl. Linnemanns Wahlkreis in Paderborn ist dagegen eine Parteihochburg mit eingebauter Sieg-Garantie.
Common-Sense-Konservativer
Politisch präsentiert der sich gern als Common-Sense-Konservativer, der einerseits für eine strengere Einwanderungspolitik ist, aber dafür Fachkräfte aus dem Ausland ins Land holen will. Zugleich ist er Experte für Arbeit und Soziales. Wie er im Interview mit ntv.de sagte, will er staatliche Hilfe für alle, "die sie wirklich brauchen". Über Kanzlerin Angela Merkel sagte er bei ntv, sie habe in ihrer Amtszeit auch "eklatante Fehler" gemacht.
Bei Linnemann kann Merz darauf vertrauen, dass er sich hochmotiviert in die neue Aufgabe stürzen wird. Leicht wird sie aber auch ihm nicht fallen. Denn so leidenschaftlich er rüberkommt, bei Lanz, Maischberger oder Illner ist auch gelegentlich zu beobachten, wie die politischen Gegner ihn kühl auskontern. Ein Beispiel dafür war die Überlegung aus der Programmkommission, hohe Einkommen stärker zu besteuern, um die Mitte entlasten zu können. Ein gefundenes Fressen für die FDP, die sogleich gegen die "Steuererhöhungspläne" wetterte. Andererseits macht der Ostwestfale mit kreativen Vorschlägen von sich reden, etwa die Befreiung von der Steuer für arbeitende Rentner.
Linnemann ist eine offensichtliche Wahl für Friedrich Merz. Er holt einen Mann an seine Seite, dem er vertraut und dem er etwas zutraut. Er bietet ihm zudem die Option, dem neuen Generalsekretär die besonders konservativen Töne zu überlassen und selbst etwas moderater aufzutreten - was seinen Umfragewerten und damit den Kanzlerchancen guttun könnte. Der Schritt ist nachvollziehbar und darum ist Linnemann genau der Richtige.
Quelle: ntv.de