Patt-Situation in Israel Knesset stimmt für Neuwahlen
11.12.2019, 17:29 Uhr
Oppositionsführer Benny Gantz konnte sich keine Mehrheit im Parlament sichern.
(Foto: REUTERS)
Die dritten Parlamentswahlen in Israel innerhalb eines Jahres werden immer wahrscheinlicher. In der ersten von drei Lesungen stimmt die Knesset einstimmig für Neuwahlen. Umfragewerte bescheinigen den Kontrahenten Gantz und Netanjahu auch bei einem erneuten Urnengang ein extrem knappes Rennen.
Israel steuert auf die dritten Wahlen binnen eines Jahres zu. Die Knesset stimmte am Vormittag in erster Lesung für Neuwahlen. Einstimmig votierten die Abgeordneten dafür, Anfang März einen neuen Wahltermin anzusetzen. Die Entscheidung muss noch in zwei weiteren Abstimmungen vom Parlament abgesegnet werden. Der Schritt war nötig geworden, nachdem weder Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch Oppositionsführer Benny Gantz nach den vergangenen Wahlen eine Regierung bilden konnten.
Um Mitternacht (Ortszeit; 23.00 Uhr MEZ) läuft eine letzte Frist für beide ab, eine Mehrheit der Parlamentarier hinter sich zu versammeln und eine neue Regierung zu bilden. Doch bereits am Vormittag schlug ein Parlamentsausschuss vor, die Abgeordneten zuvor einzuberufen und direkt für die Auflösung der Knesset sowie für die Ansetzung von Neuwahlen am 2. März zu stimmen.
Beide Parteien gleichauf in Umfrage
In der ersten von drei nötigen Abstimmungen votierten die Abgeordneten einstimmig für den Vorstoß. Die beiden weiteren Lesungen sollten noch im Tagesverlauf stattfinden. Die Aussichten auf eine Mehrheit in letzter Minute für eine neue Regierung sind damit nochmals deutlich gesunken.
Aus der Parlamentswahl im September war kein klarer Sieger hervorgegangen: Weder die rechtsgerichtete Likud-Partei des unter Anklage stehenden Regierungschefs Netanjahu noch die Mitte-Rechts-Liste Blau-Weiß seines Rivalen Gantz hatten sich eine Mehrheit gesichert. Neuwahlen könnten jüngsten Umfragen zufolge jedoch wieder auf ein Patt hinauslaufen. Eine Umfrage des Senders Kan von dieser Woche sah den Likud und Blau-Weiß gleichauf.
Kein Rücktritt trotz Anklage wegen Korruption
Auch die Spitzenkandidaten der beiden Parteien dürften bei einer möglichen neuen Abstimmung die gleichen bleiben. Netanjahu wird innerhalb des Likud zwar durch seinen langjährigen parteiinternen Widersacher Gideon Saar herausgefordert. Unter Druck öffnete er die Tür für innerparteiliche Vorwahlen, durch die ein Spitzenkandidat bestimmt werden soll. Zugleich erkärte Netanjahu, er werde die Abstimmung in jedem Fall gewinnen.
Auf der anderen Seite läuft ebenfalls alles auf eine erneute Kandidatur von Gantz hinaus. Die Statuten der Liste Blau-Weiß sehen zwar vor, dass bei Neuwahlen Gantz' Bündnispartner Jair Lapid antritt. Dieser kündigte jedoch bereits am Montag vor Abgeordneten seiner Formation an, er würde Gantz in diesem Fall den Vortritt lassen. "Wichtig ist weder die Rotation noch der Sitz, sondern der Befreiungskrieg, um das Land von der Korruption zu befreien", sagte Lapid.
Netanjahu ist der erste amtierende Regierungschef Israels, der unter Anklage steht. Ihm werden Betrug, Bestechlichkeit und Untreue vorgeworfen - im Amt bleiben will er trotzdem. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bezeichnet der 70-Jährige als politisch motiviert. Gemäß israelischem Recht können Minister zwar nicht im Amt verbleiben, wenn sie unter Anklage stehen - ein Regierungschef jedoch schon. Für ihn ist ein Rücktritt erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung zwingend.
Quelle: ntv.de, jru/AFP