Politik

Kontaktbeschränkungen gelockert Kritik am Vorgehen Sachsen-Anhalts

Bundesweit gelten Kontaktbeschränkungen - doch Sachsen-Anhalt weicht diese nun auf.

Bundesweit gelten Kontaktbeschränkungen - doch Sachsen-Anhalt weicht diese nun auf.

(Foto: dpa)

Am Donnerstag einigen sich Bundesregierung und Bundesländer auf Lockerungen der Maßnahmen in der Corona-Krise. Sachsen-Anhalt jedoch schert aus und geht über die vereinbarten Schritte hinaus. Das stößt etwa in Berlin auf Kritik. Doch die FDP sieht darin eine Stärke des Föderalismus.

Nach dem Vorpreschen Sachsen-Anhalts ist die Debatte um das Tempo bei den Lockerungen von Corona-Auflagen neu entflammt. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kritisierte die Entscheidung Sachsen-Anhalts, den Bürgern ab Montag mehr Kontakte außerhalb des eigenen Hausstands zu erlauben. Der SPD-Politiker mahnte ein abgestimmtes Vorgehen an. FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg befürwortete dagegen ein regional abgestuftes Öffnungskonzept.

Entgegen den Vereinbarungen von Bund und Ländern vom vergangenen Donnerstag dürfen sich in Sachsen-Anhalt ab Montag statt zwei wieder fünf Menschen außerhalb des eigenen Hausstands treffen. Zudem sollen ab 11. Mai in dem Bundesland wieder Besuche in Alten- und Pflegeheimen unter Einschränkungen möglich sein. Auch die 800-Quadratmeter-Regelung für die Öffnung von Geschäften entfällt. Ministerpräsident Reiner Haseloff von der CDU begründete den Alleingang unter anderem mit der landesweit vergleichsweise niedrigen Infektionszahl. Auch das Saarland weicht teilweise von der Bundeslinie ab und erlaubt ab Montag beispielsweise private Treffen mit Angehörigen eines weiteren Haushalts.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Donnerstag mit den Ministerpräsidenten der Länder lediglich auf kleinere Öffnungsschritte verständigt. Über das weitere Vorgehen, besonders hinsichtlich der Kontaktsperren, soll erst bei einem neuen Spitzengespräch von Bund und Ländern am Mittwoch entschieden werden.

Mehr Rechte für Bund in Krisenzeiten?

Müller nannte es im Deutschlandfunk "ärgerlich", dass der Bund und die anderen Länder über die weitergehenden Lockerungen in Sachsen-Anhalt nicht rechtzeitig informiert wurden. "Ich hoffe sehr, dass wenn wir am kommenden Mittwoch mit der Kanzlerin zusammenkommen, wir uns auch wieder auf gemeinsame Maßnahmen verständigen können", sagte Müller. Entscheidend sei nicht, dass alle Bundesländer die gleichen Maßnahmen beschlössen, sondern dass im Grundsatz ein gemeinsamer Weg vereinbart werde.

Zugleich zeigte sich Müller offen dafür, angesichts der unterschiedlichen Corona-Regeln der Bundesländer in künftigen Krisen Kompetenzen an den Bund abzugeben. "Für Krisenzeiten, in bestimmten Notsituationen, kann ich mir so etwas vorstellen", sagte er. Er nannte als Beispiele Flutkatastrophen, Stürme oder eine Pandemie wie die derzeitige. Dass dann der Gesundheitsschutz zentral koordiniert wird und zentral Maßnahmen entschieden werden, "das kann ich mir vorstellen".

Wie Müller kritisierte auch der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz das Vorgehen der Landesregierung in Magdeburg. "Ich finde es ein bisschen befremdlich. Es gab in dieser Woche ein Gespräch, es gibt in der nächsten Woche ein Gespräch aller Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin", sagte er dem SWR. "Das ist eine sehr enge Vertaktung, da muss man nicht zwischendurch ausscheren."

"Strikte Wahrung der Verhältnismäßigkeit"

FDP-Politikerin Teuteberg hingegen argumentierte, dass der Föderalismus mit regional abgestuften Lockerungen seine ganze Stärke ausspielen könne. Bei der Lockerung der Corona-Auflagen sollten einige Regionen vorangehen dürfen - abhängig von Faktoren wie etwa Infektionsgeschehen, Besiedlungsdichte und Auslastung der medizinischen Versorgung.

"Bei der schrittweisen Öffnung geht es nicht um einen Überbietungswettbewerb der Länder in die eine oder andere Richtung, sondern um strikte Wahrung der Verhältnismäßigkeit", sagte Teuteberg. "Die Freiheit darf nur so viel wie zum Infektionsschutz nötig und verhältnismäßig und so wenig wie möglich eingeschränkt werden." Wenn die Maßnahmen als unverhältnismäßig empfunden werden, drohe die Akzeptanz zu sinken, warnte sie.

Wirtschaftsnahe Politiker mahnen derweil erneut ein schnelles Ende der Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie an. Der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß von der CDU, hält die Forderungen aus der Wirtschaft für berechtigt, angesichts des Konjunktureinbruchs weite Teile des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens wieder hochzufahren. Er könne die Ungeduld gut verstehen. "Der wirtschaftliche Druck wird von Tag zu Tag stärker", so Bareiß. Deshalb dürfe man keine Zeit verlieren.

Auch der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, forderte einen schnellen Ausstieg aus den Maßnahmen. Kanzlerin Merkel solle beim nächsten Treffen mit den Ministerpräsidenten eine "umfassende Öffnungsstrategie" vorlegen. "Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung von Gerichten und Ländern am Nasenring durch die Manege gezogen wird", sagte Theurer dem "Handelsblatt".

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa/DJ

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