"Frauen über EU-Grenze gedrängt" Kroatien rechtfertigt Pushbacks
23.06.2021, 20:37 Uhr
Flüchtlingscamp in Velika Kladusa nahe der kroatischen Grenze. (Archivbild).
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Ein internationales Recherchenetzwerk filmt kroatische Grenzpolizisten bei der Abschiebung von Frauen und Kindern nach Bosnien-Herzegowina. Die Regierung in Zagreb leugnet die Zurückweisungen nicht, nennt sie aber legal. Die Vorfälle könnten ein Nachspiel in Brüssel haben.
Die kroatische Polizei schiebt mutmaßlich schutzbedürftige Asylsuchende nach Bosnien und Herzegowina ab, ohne ihnen die Chance zu geben, einen Asylantrag zu stellen. Das ist jedenfalls das Ergebnis gemeinsamer Recherchen von "Spiegel", Lighthouse Reports, der SRF Rundschau, dem ARD Studio Wien und der kroatischen Zeitung "Novosti".
Den Rechercheuren gelang es demnach erstmals, die sogenannten Pushbacks zu filmen. Binnen einer Woche dokumentierten sie nach eigenen Angaben illegale Abschiebungen von rund 65 Asylsuchenden, darunter Schwangere und Kleinkinder, teils mit Behinderungen. Auf den Bildern seien die kroatischen Grenzschützer klar erkennbar, hieß es.
Die sogenannten Pushbacks verstoßen gegen kroatisches, europäisches und internationales Recht. Auf Anfrage des Magazins teilte das kroatische Innenministerium mit, dass es sich bei den Aktionen um legale Einreiseverweigerungen direkt an der Grenze gehandelt habe. Hierbei sei es nicht notwendig, die "Bedürfnisse der Migranten" festzustellen. Dabei ignoriere das Innenministerium allerdings, dass die Schutzsuchenden angeben, sie wären vor der Ausweisung bereits tief in kroatisches Territorium vorgedrungen, berichtete das Blatt. EU-Recht verbietet in diesem Fall eine Abschiebung über die grüne Grenze und schreibt außerdem vor, auf Anfrage ein Asylverfahren zu ermöglichen.
EU-Kommissarin sagt Untersuchung zu
EU-Parlamentarier fürchten nach Sichtung der Videos um die Glaubwürdigkeit der EU, schrieb das Magazin weiter. Die EU-Kommission müsse Kroatien zwingen, Schutzsuchenden ein Asylverfahren zu gewähren, sagte die niederländische Europaabgeordnete Tineke Strik. Ärger droht der kroatischen Regierung auch wegen eines Berichts des Antifolterkomitees des Europarates. Hinter den Kulissen heißt es, der fertiggestellte aber noch nicht veröffentlichte Bericht bestätige die Vorwürfe gegen die Grenzwächter. Die kroatische Regierung wehre sich gegen eine Veröffentlichung. Das kroatische Innenministerium bestreite das, heißt es in dem "Spiegel"-Bericht.
Die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson räumt auf Anfrage ein, sie habe in der Vergangenheit zahlreiche ähnliche Berichte erhalten, jeder einzelne Vorwurf müsse untersucht werden. Jedoch habe sich der kroatische Premier Andrej Plenković bei ihren Besuchen einsichtig gezeigt und zugesagt, einen unabhängigen Mechanismus zur Menschenrechtsbeobachtung an der Grenze zu etablieren.
Quelle: ntv.de, mau