Politik

Frauen-Duell in der SPD Lange greift Nahles an, aber die schweigt

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Simone Lange und Andrea Nahles (v.l.): Nur eine kann SPD-Vorsitzende werden.

(Foto: Montage: Ilg/dpa)

Die SPD trifft sich zu ihrem dritten Parteitag innerhalb von nur vier Monaten. Zwei Frauen bewerben sich um den Parteivorsitz und die Nachfolge von Martin Schulz. Favoritin Andrea Nahles muss mit einem ehrlichen Ergebnis rechnen.

Es sei keine Zeit für Experimente, warnt Harald Christ. "Andrea Nahles braucht ein starkes Mandat, um die Erneuerung der SPD voranzutreiben." Christ, der Sprecher des SPD-Wirtschaftsforums ist, war früher Juso-Chef von Rheinland-Pfalz - dem Landesverband von Andrea Nahles. Christ ist nur ein Beispiel. An vielen Schaltstellen in der SPD sitzen inzwischen Vertraute der Fraktionschefin. Nicht nur deshalb kann beim Parteitag der Sozialdemokraten - dem dritten seit der Bundestagswahl im September - eigentlich gar nichts schiefgehen. Nahles ist die klare Favoritin bei der Abstimmung um den SPD-Vorsitz. Dennoch muss es einen Grund geben, warum Menschen wie Harald Christ sich öffentlich so eindringlich für Nahles aussprechen. Zwar zweifeln wenige daran, dass sie gewinnt. Höchst brisant ist jedoch, wie souverän das gelingt.

Dabei hat Nahles nur eine Gegnerin. Die bundespolitisch unbekannte Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange erklärte ihre Kandidatur im Februar - auf dem Höhepunkt der Turbulenzen in der SPD-Führung. In der höheren Funktionärsebene der Partei ist die 41-Jährige wenig vernetzt. Nahles kann dagegen auf eine Hausmacht zählen. Bundesvorstand und Bundestagsfraktion stehen fast geschlossen hinter ihr. Lange hat keine realistische Aussicht auf eine Mehrheit, Nahles jedoch keine Garantie auf ein gutes Ergebnis. Ein Ereignis in der jüngeren Vergangenheit dürfte dabei Warnung sein. Im Januar empfahl fast der gesamte SPD-Vorstand die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Dennoch stimmten beim Parteitag in Bonn nur 56 Prozent dafür.

Nach der Bundestagswahl hat das Misstrauen gegenüber der eigenen Parteiführung bei vielen Genossen erheblich zugenommen. Aus verschiedenen Gründen: Die SPD-Spitze schloss eine Große Koalition zunächst kategorisch aus und ruderte dann zurück. Der alte Parteichef Martin Schulz sagte nach der Wahl, dass er nicht in ein Kabinett von Angela Merkel gehen werden, wollte später aber trotzdem Außenminister werden und zog erst nach internem Druck zurück. Nach dessen Rückzug wollte der Parteivorstand Nahles im Hauruck-Verfahren zur neuen Vorsitzenden machen, ohne dies von einem Parteitag absegnen zu lassen. Auch wenn Olaf Scholz, ein weiterer Nahles-Verbündeter, stattdessen schließlich kommissarisch als Vorsitzender eingesetzt wurde - in der Summe war das für viele Mitglieder nach der 20-Prozent-Klatsche bei der Wahl etwas viel und wenig vertrauensfördernd.

"Man versucht, mich zu verschweigen"

Von dem Grummeln in der Parteiseele profitiert Nahles' einzige Gegnerin. Lange kündigt nicht nur an, die Hartz-IV-Reformen rückabwickeln zu wollen, sie verspricht auch mehr Mitsprache für die Basis. Die frühere Polizeibeamtin nimmt für sich in Anspruch, als frisches Gesicht für den Neustart der Partei weit besser geeignet zu sein als Nahles. In Interviews betont sie auch, näher bei den Bürgern zu sein und das "wahre Leben" besser zu kennen. Umso näher der Parteitag rückt, desto mehr geht Lange in die Offensive. Sie wirft der SPD-Führung einen wenig souveränen Umgang mit ihrer Kandidatur und Parteilichkeit zugunsten von Nahles vor. "Man versucht, mich zu verschweigen, man lässt sich nicht auf ein Gespräch mit mir ein", sagte Lange den "Kieler Nachrichten".

Lange beklagt, dass sie vorab nicht die Möglichkeit erhielt, sich Vorstand und Bundestagsfraktion vorzustellen. Scholz und Nahles hätten sie in den vergangenen Wochen einfach ignoriert. "Andrea Nahles hat behauptet, mich auf einen Kaffee angefragt zu haben und ich hätte keine Zeit gehabt. Andersherum war es", sagte sie. "Es ist die Sozialdemokratie, die gerade ihr Gesicht zeigt. Deshalb müssen wir uns nicht fragen, warum wir gerade bei 18 Prozent stehen." Lange kritisiert auch den Ablauf des Parteitags. Sie forderte mehr Redezeit, um sich den Delegierten vorzustellen. Statt 10 Minuten, die ihr angeblich angeboten worden seien, verlangt sie 30. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellte jedoch klar, dass beide Kandidatinnen jeweils eine halbe Stunde erhalten sollen. Die Siegerin hat nach der Abstimmung erneut Gelegenheit, zu den Delegierten zu sprechen.

Spannung birgt vor allem der Ausgang. Lange signalisierte bei einem Termin in Berlin in der vergangenen Woche, dass sie sich auch im Fall einer Niederlage einen Wechsel in die Bundespolitik vorstellen könnte. In der SPD wird ihr ein Ergebnis zwischen 20 und 30 Prozent zugetraut. Nahles, die die Angriffe ihrer Herausforderin nicht öffentlich erwiderte, dürfte mit einem Ergebnis von mindestens 75 Prozent gut leben können. Alles darunter wäre das, was Politiker gerne als "ehrliches Ergebnis" bezeichnen und nicht gerade ein optimaler Start. Der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil baut dahingehend sicherheitshalber schon mal vor. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, das Ergebnis sei zweitrangig. Nahles werde eine gute Vorsitzende werden, das sei wichtiger.

Zumindest zwei Dinge sind sicher: Zum ersten Mal in ihrer fast 155-jährigen Geschichte haben die Sozialdemokraten bald eine Frau an ihrer Spitze. Von der neuen Chefin wird dabei nicht weniger erwartet, als die schwächelnde Partei zu retten.

Quelle: ntv.de

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