Politik

Rente mit 72? Linnemann will Rentenalter an Lebenserwartung koppeln

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Will keine "Politik mit der Gießkanne": Carsten Linnemann.

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

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Die CDU will sich ein neues Grundsatzprogramm verpassen, das bisherige ist 16 Jahre alt. Bei Markus Lanz erklärt Vize-Chef Carsten Linnemann, bei wem die Christdemokraten punkten - und wo sie sparen wollen.

Cadenabbia ist ein kleiner, lauschiger Ort am Comer See in Italien. Dort, in der Villa La Collina, verbrachte einst der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer seinen Urlaub. Immer wieder zog es ihn dort hin. Er machte die Villa zu seiner Sommerresidenz. Und dort traf sich in der vergangenen Woche die CDU-Programmkommission, um über ein neues Grundsatzprogramm der Partei zu beraten. Das bisherige Programm stammt aus dem Jahr 2007. Nun soll sich einiges ändern, auch bei der CDU soll es eine "Zeitenwende" geben. Das neue Grundsatzprogramm soll im nächsten Jahr bei einem Parteitag beschlossen werden. Bei Markus Lanz im ZDF skizziert der stellvertretende Vorsitzende Carsten Linnemann die Pläne.

Zu den wichtigsten Forderungen gehören eine energieoffene Klimapolitik und eine Reform der Bildungspolitik. Doch für Linnemann, den Chef der Grundwertekommission, ist auch eine Steuerreform fällig.

Einstiegsgehalt für Spitzensteuersatz erhöhen

Dazu gehört für den Politiker zunächst die lang versprochene Abschaffung des Solidaritätszuschlags, den zurzeit noch Menschen mit sehr hohen Einkommen bezahlen. Dafür möchte die CDU den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöhen. "Wenn es nach mir geht, kann der auch bei 48 oder 49 Prozent liegen", sagt Linnemann bei Markus Lanz. "Der Mittelstandsbauch muss abgeschafft werden", ist sein Ziel. "Ab einem Einkommen von 63.000 Euro im Jahr gilt der Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Damit trifft man die Mittelschicht." Linnemann möchte sich bei der Steuerreform auf die Menschen konzentrieren, "die es wirklich brauchen." Dazu will er das Einstiegsgehalt für den höchsten Steuersatz auf 100.000 Euro pro Jahr anheben. "Ich will die, die viel verdienen, nicht zusätzlich entlasten, aber auch nicht belasten", so Linnemann.

Der Politiker kritisiert, dass sich die Politik zu wenig um den Mittelstand sorge. "Dieses Land kümmert sich nur um die Menschen, die ganz unten sind oder ganz oben. Aber die Leute, die arbeiten gehen, sich einsetzen, fallen hinten runter. So wird keiner aus dem Ausland nach Deutschland kommen, denn wir haben nach Belgien die höchsten Steuern. Darum ist Deutschland nicht attraktiv."

Einsparungen im Sozialbereich

Sparen will Linnemann unter anderem im Sozialbereich: "Wir müssen über eine Sozialleistungsquote von 30 Prozent nachdenken. Dann ist Schluss." Konkret heißt das: 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen für Sozialleistungen ausgegeben werden, nicht mehr. Aktuell liegen die Sozialleistungen bei gut 35 Prozent des BIP, hat der "Focus" ausgerechnet. "Die Politik mit der Gießkanne, mit vollen Händen können wir uns nicht mehr leisten", so Linnemann. Die CDU wolle in Zukunft auch im Sozialbereich nur noch die Menschen unterstützen, "die es wirklich brauchen." Eine dritte Mütterrente könne es dann zum Beispiel nicht mehr geben.

CDU für "Aktivrente"

Eine Reform soll es laut Linnemann auch bei der Rente geben. So soll das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. "Es macht Sinn, dass wir länger arbeiten, wenn wir immer älter werden." Linnemann möchte, dass die Menschen 2030 im Regelfall mit 67 Jahren in Rente gehen können. Grundsätzlich soll das Renteneintrittsalter um vier Monate steigen, wenn die Lebenserwartung um ein Jahr steigt. Auf die Frage des Moderators, ob das Renteneintrittsalter dann nicht "ruck zuck" auf 70 oder 72 Jahre steigen könnte, antwortete Linnemann: "Natürlich kommen Sie dann irgendwann dahin". "Sonst können wir uns irgendwann unser Gesundheitssystem nicht mehr leisten, unser Rentensystem und vieles mehr. Deswegen, glaube ich, muss es diese Ehrlichkeit geben."

Er finde es aber klüger, die Verbindung von Lebenserwartung und Renteneintrittsalter zu betonen. In den vergangenen sechs Jahren sei die Lebenserwartung gar nicht gestiegen. "Ich weiß nicht, wann wir bei 72 sind." Nach dem genannten Modell müsste die Lebenserwartung um 15 Jahre steigen, damit das Renteneintrittsalter von 67 auf 72 steigt. Lanz zufolge stieg die Lebenserwartung in den vergangenen 30 Jahren um 15 Jahre. "Ich werde mich dafür einsetzen, weil ich glaube, dass die Menschen nicht blöd sind. Die verstehen das", sagte Linnemann. Eine Mehrheit bekomme man für den Vorschlag aber nur, wenn gleichzeitig mehr für jene getan werde, die gar nicht bis 67 arbeiten könnten.

Zudem wünscht sich die CDU laut Linnemann eine stärkere Förderung der Menschen mit Erwerbsminderung, und sie möchte eine sogenannte "Aktivrente" einführen. "Jeder, der das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht, darf steuerfrei bis zu einem gewissen Betrag hinzuverdienen. Damit werden wir perspektivisch Hunderttausende Menschen haben, die länger arbeiten. Das ist meine Überzeugung", sagt Linnemann bei Lanz. Gleichzeitig plädiert die CDU für eine private Rentenversicherung für jeden, wobei Menschen mit niedrigen Einkommen vom Staat unterstützt werden sollen.

Das neue Grundsatzprogramm der CDU soll laut Linnemann für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre gelten. "Wir sind kurz davor, dieses Land an die Wand zu fahren. An allen Ecken und Enden läuft es nicht mehr. Wir müssen neue Prioritäten setzen. Wir müssen ein ehrliches Programm machen, mit unangenehmen Wahrheiten. Das ist mein Anspruch", fasst der CDU-Politiker die Ziele seiner Partei zusammen.

Quelle: ntv.de

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