German no more! London wählt in 24 Sprachen - aber nicht auf Deutsch
01.05.2024, 16:42 Uhr
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Das Mülltonnengesicht fordert "Croissants für alle" - nice, wenn man weiß, wo die Prioritäten liegen.
(Foto: dpa)
Auch die internationale Bevölkerung Londons wählt am 2. Mai den Bürgermeister. Dabei muss die deutschsprachige Community jedoch auf Wahlunterlagen auf Deutsch verzichten und sich fragen: Werden wir ausgeschlossen - oder können wir so gut Englisch?
Sieht man in Großbritanniens Hauptstadt London einmal von den uralten deutschen Einflüssen ab - Angeln und Sachsen, Hanse und Hannoveraner - und lässt man die unzähligen Autos deutscher Herkunft an sich vorbeirollen - zu denen ja längst auch die Rolls Royces und die Bentleys zählen - bleibt nicht sehr viel "Germanness". Zwar besetzt die deutschsprachige Community einige Spitzenjobs, stellt eine Reihe Middlemen (und -women) und ist Teil des normalen Volks, soweit "normal" in London überhaupt noch möglich ist. Am Ende zählte der "Census" vor drei Jahren aber nicht mehr als 19.074 deutschsprachige Expats - Österreicher und Schweizer inklusive.
Sie alle dürfen mitwählen, wenn Londons Bürgermeister Sadiq Khan am 2. Mai zum dritten Mal antritt - und sich gegen zwölf Herausforderer behaupten muss, unter anderem gegen den Comedian Jonathan David Harvey, der mit einer Mülltonne auf dem Kopf antritt und sich "Count Binface" nennt. Er will Croissants verbieten, die mehr als ein Pfund kosten.
Das Grab von Giro
Noch kurioser als das Mülltonnengesicht darf es unterdessen den deutschsprachigen Wahlberechtigten erscheinen, dass sie von Londons Wahlleiter, dem "Greater London Returning Officer", nicht direkt angesprochen werden: in ihrer Muttersprache nämlich, wie etwa Polen, Litauer, Rumänen oder Bulgaren - von Franzosen, Spaniern, Portugiesen und etlichen anderen Sprachgemeinschaften ganz zu schweigen. In 24 Sprachen liegt die Informationsbroschüre zur Londoner Bürgermeisterwahl 2024 vor, Deutsch zählt nicht dazu.
Da mögen der eine oder die andere fragen, ob es denn nicht gerade die Deutschen waren, die Londons Politik, Kultur und Wirtschaft auf besondere Weise geprägt haben. Die Spuren sind jedenfalls zahlreich. Ein strahlendes Beispiel ist der Weihnachtsbaum, der jedes Jahr vor dem Buckingham-Palast aufgebaut wird. Queen Victorias Gemahl Albert hatte ihn aus Deutschland mitgebracht. Ein hässliches Beispiel sind die Schäden des "Blitz" im Zweiten Weltkrieg, vor allem im Londoner Osten, aber auch mitten im Parlament. Dazwischen gibt es deutsche Straßennamen wie die Hanover Square und Beethoven Street. Oder das Grab von Giro, dem Hund eines deutschen Botschafters - unweit der privaten Residenz von König Charles.
Größe und Relevanz
Das alles tue nichts zur Sache, lässt indes die Wahlleitung auf Anfrage von ntv.de mitteilen. Man habe sich schlicht an die Größe und damit an die Relevanz der Sprachgruppen gehalten - und der deutsche Anteil betrage nun einmal nicht mehr als 0,22 Prozent der rund 8,8 Millionen Menschen, die im Großraum von London leben.
1,9 Prozent der Bevölkerung spricht Rumänisch - es ist gegenwärtig mit knapp 160.000 Menschen die größte einzelne Sprachgruppe in London, gefolgt von 117.000 Hispanos und 112.000 Polen. Insgesamt wurden 1,83 Millionen Londoner gezählt, also 22 Prozent der Bevölkerung, deren Muttersprache eine andere ist als Englisch. Von ihnen sprechen rund 350.000 so gut wie kein Englisch, während 635.000 angegeben, Englisch gut und 840.000 sogar behaupten, Englisch sehr gut zu beherrschen.
Warum die Wahlleitung nun für die Übersetzung der Wahlinformation ausgerechnet einen Cut nach der hindisprachigen Gruppe gemacht hat, die mit 20.485 kaum größer ist als der deutschsprachige Anteil der Londoner Bevölkerung, bleibt unbeantwortet. Die Frage gilt umso mehr, weil die 20 Sprachversionen der Wahl vor drei Jahren dieses Mal um vier ergänzt wurden. Warum nicht fünf?
Ein kleiner Hinweis "on you"!
Ein Grund dafür könnte aus der sprachlichen Selbsteinschätzung von Deutschen resultieren, die gerne im Fünfsternebereich liegt - selbst wenn man sich hartnäckig Patzer leistet, zum Beispiel auf Stehempfängen "on you!" statt "to you" sagt, was dann nicht "Auf dein/ Ihr Wohl!" bedeutet, sondern "Du zahlst/ Sie zahlen!"
Ein anderer Grund könnte auch darin liegen, dass man die Nachfahren derjenigen, die London den Weihnachtsbaum und den Blitz bescherten, lieber ausklammert. Ein bewusster"Diss" also!
Egal, wie die Antwort lautet - die Realität in London steht auf jeden Fall fest: Eine Weltsprache ist Deutsch längst nicht mehr.
Quelle: ntv.de