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175 Jahre Haft bei Auslieferung Londoner Gericht entscheidet endgültig über Assange

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Unklar ist, ob Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger Grundrechte besitzt oder nicht. Falls nicht, drohen ihm 175 Jahre Haft oder auch die Todesstrafe.

Unklar ist, ob Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger Grundrechte besitzt oder nicht. Falls nicht, drohen ihm 175 Jahre Haft oder auch die Todesstrafe.

(Foto: REUTERS)

Seit fünf Jahren sitzt Julian Assange ohne Verurteilung in Londons berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Die USA fordern seine Auslieferung. Sollte das Londoner Berufungsgericht für die USA entscheiden, könnte Assange innerhalb eines Tages ausgeliefert werden.

Das Londoner Berufungsgericht entscheidet heute über die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA. Die Anhörung dazu findet ab 11.30 Uhr (MESZ) statt und ist für zwei bis drei Stunden angesetzt. Die Unterstützer des 52 Jahre alten gebürtigen Australiers haben zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude im Zentrum der britischen Hauptstadt aufgerufen.

Die US-Regierung will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Assanges Verteidigerteam zufolge drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Washington wirft ihm vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer hingegen sehen in der Strafverfolgung eine Vergeltungsaktion Washingtons, weil durch die Veröffentlichungen mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt wurden.

Letzte Instanz wäre in Straßburg

Sollte das Gericht dem Berufungsantrag stattgeben, dürfte das jahrelange juristische Tauziehen zunächst weitergehen. Im Falle einer Ablehnung droht Assange die Auslieferung innerhalb von 24 Stunden, erklärten seine Unterstützer kürzlich. Zumindest in Großbritannien wäre der Rechtsweg dann ausgeschöpft. Assanges Team versprach jedoch in diesem Fall, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anzurufen. Es bleibt jedoch ungewiss, ob dieser überhaupt eine einstweilige Verfügung erlassen würde, um eine Auslieferung zu stoppen.

Inhaltlich geht es darum, ob sich Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen kann und ob ihm die Todesstrafe droht. Die Richter hatten die Entscheidung über den Berufungsantrag bei einer zweitägigen Anhörung Ende März zunächst vertagt und Zusicherungen aus den USA angefordert. Nun geht es darum, ob diese Zusicherungen ausreichend sind oder ob es zu einer Berufungsverhandlung kommt.

Assanges Ehefrau fürchtet im Fall einer Auslieferung wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den USA und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben. Suizid-Gefahr war auch der Grund, warum eine Richterin in erster Instanz die Auslieferung zunächst abgelehnt hatte. Doch die Entscheidung wurde später gekippt. Die britische Regierung stimmte seiner Auslieferung zu. Stella Assange zufolge wäre es denkbar, dass das Gericht an diesem Montag auch direkt inhaltlich über den Berufungsantrag entscheidet.

Biden schenkt Hoffnungsschimmer

Neben einem möglichen Berufungsverfahren dürften Assanges Unterstützer ihre Hoffnungen vor allem auf eine politische Lösung setzen. Die australische Regierung setzt sich inzwischen für eine Freilassung ihres Staatsbürgers ein. Erst kürzlich verabschiedete das australische Parlament einen Beschluss, in dem die USA und Großbritannien aufgerufen wurden, die Strafverfolgung Assanges zu beenden. Regierungschef Anthony Albanese betonte, die Angelegenheit ziehe sich schon zu lange hin.

Etwas Hoffnung bei Assange-Anhängern weckte auch US-Präsident Joe Biden kürzlich. Der hatte auf die Frage, ob die australische Forderung nach einem Ende der Strafverfolgung geprüft werde, gesagt: "Wir erwägen das." Albanese nannte die Äußerung "ermutigend".

Assange sitzt seit beinahe fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Er sitzt inzwischen ohne eine Verurteilung im Gefängnis. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern Assanges sofortige Freilassung.

Quelle: ntv.de, gri/dpa

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