Aus Istanbul eingereist Lukaschenko: Moskau-Attentäter wollten zuerst nach Belarus fliehen
26.03.2024, 16:12 Uhr Artikel anhören
Mit seiner Aussage widerspricht der belarussische Machthaber den russischen Angaben.
(Foto: picture alliance/dpa/XinHua)
Nach dem Anschlag auf die Konzerthalle bei Moskau sitzen mehrere Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Vor ihrer Festnahme sollen sie versucht haben, nach Belarus zu fliehen, sagt der Präsident des Landes Lukaschenko. Außerdem führt die Spur der mutmaßlichen Attentäter in die Türkei.
Die Angreifer im Konzertsaal bei Moskau haben nach Angaben des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zunächst die Flucht nach Belarus versucht. Sie seien aber wegen der Grenzkontrollpunkte umgekehrt, erklärte Lukaschenko. "Deswegen gab es keine Möglichkeit für sie, nach Belarus einzureisen. Sie haben das gesehen. Deswegen kehrten sie um und gingen zu dem Abschnitt an der ukrainischen-russischen Grenze." Damit widersprach der belarussische Machthaber den russischen Angaben, dass die Angreifer zunächst versucht hätten, in die Ukraine zu fliehen.
Zwei der mutmaßlichen Attentäter sind nach Angaben aus türkischen Sicherheitskreisen vor ihrem Aufenthalt in der russischen Hauptstadt in der Türkei gewesen. Sie seien gemeinsam am 2. März von Istanbul nach Moskau gereist, heißt es. Sie hätten sich frei bewegen können, weil kein Haftbefehl vorgelegen habe.
Die beiden hätten sich nur kurzzeitig im Land aufgehalten, man gehe daher nicht davon aus, dass sie sich in der Türkei radikalisiert haben. Einer der mutmaßlichen Attentäter sei am 20. Februar in die Türkei eingereist, der andere Verdächtige am 5. Januar, heißt es weiter. Sie hätten sich beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischenzeitlich in Hotels in Istanbul aufgehalten und seien mit demselben Flug am 2. März nach Moskau zurückgekehrt.
Die beiden Männer sitzen mittlerweile wie zwei weitere Tatverdächtige in Russland in Haft. Auf Fotos von Sonntag waren an ihren Körpern Verletzungen zu erkennen, die auf Folter durch russische Sicherheitskräfte hindeuten. Bei dem Terroranschlag in einer Konzerthalle bei Moskau waren am Freitag mehr als 130 Menschen getötet worden. Die Terrormiliz IS hatte das Attentat in mehreren Botschaften für sich reklamiert.
Türkei als Rückzugsgebiet für den IS-K
Russische Sicherheitsbehörden sollen nach türkischen Medienangaben seit dem Attentat intensiv mit ihren Kollegen in der Türkei konferiert haben, nachdem der IS-Ableger IS-K beziehungsweise IS-Khorasan noch in der Attentatsnacht den Anschlag für sich reklamiert hatte.
Offenbar ist bei den türkischen Sicherheitsbehörden seit längerem bekannt, dass der zentralasiatische IS-K in der Türkei ein Rückzugsgebiet hat. Immer wieder hat es deshalb in den vergangenen Monaten Festnahmen mutmaßlicher Jihadisten gegeben. Nach Angaben des Innenministeriums in Ankara sind seit dem 1. Juni 2023 insgesamt 2919 Personen unter dem Verdacht, zum IS zu gehören oder dem IS nahezustehen, in der Türkei festgenommen worden.
Russland beschuldigt weiterhin die Ukraine
Möglich, dass die Informationen aus der Türkei mit dazu geführt haben, dass am Montagabend auch der russische Präsident Wladimir Putin verkündete, dass der Anschlag tatsächlich von Jihadisten ausgeführt wurde. Zugleich machte er wie schon am Wochenende deutlich, dass er eine ukrainische Spur sieht. Russland wolle wissen, "wer der Auftraggeber ist". Putin geht davon aus, dass Islamisten zwar den Auftrag für den Massenmord ausgeführt haben, die Drahtzieher aber anderswo sitzen. Ein Motiv sieht er in der Ukraine, nicht beim IS.
Auch der Sekretär von Russlands nationalem Sicherheitsrat, Nikolai Patruschew, behauptet weiterhin, die Ukraine sei für den Anschlag verantwortlich. Auf die Frage von Journalisten, ob hinter dem Angriff die Terrormiliz Islamischer Staat oder die Ukraine stecke, antwortete Patruschew laut staatlicher Agentur Tass: "Natürlich die Ukraine." Wie er zu dieser Einschätzung kommt, erklärte der 72-Jährige, der immer wieder als glühender Befürworter des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auftritt, nicht.
Wenig später ruderte Patruschew wieder etwas zurück und sagte einem russischen Fernsehreporter mit Blick auf eine vermeintliche ukrainische Beteiligung: "Es deutet viel darauf hin." Er räumte nun aber auch ein, dass die Ermittlungen noch im Gange seien, das Ergebnis bleibe abzuwarten.
Quelle: ntv.de, hny/dpa