Deutsche Panzer für den Krieg? Wie Deutschland der Ukraine helfen könnte
06.01.2023, 11:04 Uhr
Schützenpanzer "Marder" (l.), hier bei einem Bundeswehr-Manöver neben einem "Leopard 2".
(Foto: picture-alliance/ ZB)
Die Ukrainer fordern unter russischem Beschuss mehr schwere Waffen zur Verteidigung. Die Europäer, allen voran Deutschland, zögern. Frankreich prescht mit der Lieferung eines Radpanzers vor, die USA denken über Schützenpanzer nach. Was könnte Deutschland beitragen?
Die politische Linie ist eigentlich längst geklärt: Deutschland will sich im russischen Angriffskrieg laut Beschluss des Bundestages vom April 2022 für die "umfassende Unterstützung für die Ukraine" einsetzen. Dazu zählen ausdrücklich auch die sogenannten "schweren Waffen", also etwa Artilleriegeschütze und Panzer.
Doch bei Waffensystemen, die die Ukraine zu effektiven Gegenangriffen befähigen könnten, hält sich die Bundesregierung auffallend zurück: "Keine deutschen Alleingänge", begründete Bundeskanzler Olaf Scholz bisher die Weigerung, schlagkräftiges Offensivgerät freizugeben. Transport-, Schützen- und echte Kampfpanzer gibt es aus Berlin bislang nicht. Die jüngste Ankündigung aus Paris wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Tabubruch: Frankreich stellt der Ukraine leichte Radkampfpanzer vom Typ "AMX-10" zur Verfügung. US-Präsident Joe Biden deutete zudem die Freigabe moderner "Bradley"-Schützenpanzer für die Ukraine an.
"Marder" stehen auf Halde
Vergleichbare Waffensysteme gäbe es auch in den Beständen der deutschen Rüstungsindustrie: Der bis zu 65 Kilometer je Stunde schnelle Schützenpanzer "Marder" zum Beispiel ist beim deutschen Heer seit 1971 im Einsatz und sollte eigentlich ab 2020 durch den Nachfolger "Puma" ersetzt werden. "Marder"-Schützenpanzer stehen beim Hersteller Rheinmetall auf Halde. Bisher fehlt für den Export nur die erforderliche Freigabe aus dem Bundeskanzleramt.
Das je nach Version und Ausstattung zwischen 35 und 45 Tonnen schwere Kettenfahrzeug "Marder" ist voll geländegängig, hochmobil und mit einer 20-Millimeter-Bordmaschinenkanone sowie einem Maschinengewehr im schwenkbaren Geschützturm bewaffnet. Die dreiköpfige Besatzung besteht in der Regel aus Fahrer, Kommandant und Richtschütze. Im Heck des 600 PS starken Schützenpanzers finden bis zu sechs voll ausgerüstete Panzergrenadiere Platz.
Ausgelegt sind die Schützenpanzer für den beweglichen Kampf bei Tag und Nacht. Im Ernstfall können "Marder" vorstoßenden Kampfpanzern folgen, eigene Truppen absetzen und dabei Feuerunterstützung leisten - oder kämpfenden Einheiten einen schnellen und geschützten Rückzug ermöglichen. Mit einer Tankfüllung kommt ein "Marder" bis zu 520 Kilometer weit, im Gelände beträgt die maximale Reichweite 260 Kilometer.
Hersteller Rheinmetall spricht von einem "praxiserprobten" und "speziell für leichte Handhabung und maximale Zuverlässigkeit konzipierten" Schützenpanzer. Früheren Berichten zufolge sind in den Werkshallen 100 ausgemusterte "Marder" geparkt. Ein Teil davon könnte nach einigen Instandsetzungsarbeiten binnen weniger Wochen an die Ukraine übergeben werden. Bislang fehlt dafür nur die erforderliche Exportgenehmigung der Bundesregierung.
"Leopard 1" ist technologisch veraltet, aber nützlich
Auf den Bedarfslisten der Ukrainer stehen jedoch vor allem Kampfpanzer. Auch hier könnte Deutschland rasch mehr Hilfe leisten. Mit dem Modell "Leopard 1" zum Beispiel verhält es sich ähnlich wie mit dem Schützenpanzer "Marder": Die Industrie verfügt über ausgemusterte Restbestände, für die sich bisher noch keine Exportkunden gefunden haben. Die Panzer wären umgehend verfügbar.
Hersteller Rheinmetall bot der Bundesregierung bereits wenige Wochen nach Beginn des russischen Überfalls Exporte in größeren Stückzahlen an. Der rund 40 Tonnen schwere "Leopard 1" ist der ehemalige Hauptkampfpanzer der Bundeswehr. Er ist zwar technologisch veraltet, könnte sich aber im Kampf gegen teils ähnlich alte Panzer russischer Bauart dank seiner massiven Konstruktion durchaus noch als nützlich erweisen.
Wie der "Marder" stammt auch der Leo 1 im Kern aus den 1960er Jahren. Er war der erste Kampfpanzer, der nach dem Zweiten Weltkrieg in der jungen Bundesrepublik gebaut wurde. Der Vorgänger des modernen "Leopard 2" ist mit einem Geschütz im Kaliber 105 Millimeter ausgestattet und kann damit gepanzerte Ziele in knapp zwei Kilometern Entfernung bekämpfen.
Ein Problem könnte jedoch in der Munitionsbeschaffung liegen. Die Bundeswehr hat ihre letzten Alt-Leos vor rund 20 Jahren abgegeben. Insgesamt wurden 4700 Exemplare dieses Panzers gebaut. Bei den 13 Abnehmerstaaten in aller Welt sind diese Panzer teils noch aktiv im Dienst. Über internationale Kontakte ließen sich Geschosse, Ausbilder und Ersatzteile also durchaus noch auftreiben.
"Leopard 2 vereint Feuerkraft, Panzerschutz und Beweglichkeit"
Ein sehr viel stärkeres Signal wäre jedoch die Übergabe von Kampfpanzern des Typs "Leopard 2" an die Ukraine: Die 1500 PS starken, fast 65 Tonnen schweren und bis zu 70 Kilometer je Stunde schnellen Maschinen zählen zu den modernsten und schlagkräftigsten Panzern der Welt. Mit der voll stabilisierten Bordkanone im Kaliber 120 Millimeter können Leopard 2 gegnerische Panzer zur Not auch aus voller Fahrt heraus beschießen und zerstören.
"Der Leopard 2 vereint Feuerkraft, Panzerschutz und Beweglichkeit", heißt es bei der Bundeswehr. Die Kombination aus Hochleistungsoptik, Laserentfernungsmesser, Wärmebildgerät und Feuerleitrechner ermöglicht der dreiköpfigen Leo-Besatzung den Angriff aus der sicheren Distanz: Die effektive Kampfentfernung liegt je nach verwendetem Geschosstyp bei bis zu fünf Kilometern. Bisher wurden mehr als 3500 Exemplare gebaut. Leos sind nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch bei europäischen Partnern im Einsatz, unter anderem auch in Polen.
Die deutschen Militärhilfen für die Ukraine beschränken sich bisher vor allem auf Systeme zur Luftabwehr und verschiedene Spezialfahrzeuge. Aus der Kategorie der schweren Waffen kamen aus deutschen Beständen bisher nur der Flugabwehrpanzer "Gepard" und die Panzerhaubitze 2000 sowie Bergepanzer vom Typ "Büffel", einzelne Brückenlegepanzer "Biber", Raketenwerfer "Mars 2" und das Flugabwehrsystem "IRIS-T".
Gegenoffensiven wären für die Ukrainer mit dieser Ausrüstung allein nicht möglich. Für die Abwehr der Angriffe auf Bachmut oder neue Durchbrüche in den erstarrten Frontlinien drängen die Verteidiger daher bei ihren westlichen Verbündeten um Kampf- und Schützenpanzer. Hilfreich wären aus Sicht der ukrainischen Militärs alle Fahrzeuge, die die Kampfkraft der ukrainischen Streitkräfte erhöhen. Hier hätte Deutschland einiges an Material zu bieten: Die Bundesregierung könnte etwa auch Transportpanzer vom Typ "Fuchs", den kompakten Waffenträger "Wiesel" oder Spähwagen vom Typ "Fennek" freigeben.
Quelle: ntv.de