Scharfe Kritik an Ankara Merkel: Nazi-Vergleiche sind "so deplatziert"
09.03.2017, 10:10 UhrIn ihrer Regierungserklärung geht Bundeskanzlerin Merkel die Regierung in Ankara hart an. Die Meinungsunterschiede mit dem Land betrachtet sie als "tiefgreifend und ernst", besonders kritisiert sie die NS-Vergleiche.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Nazi-Vergleiche durch die türkische Regierung scharf kritisiert. Diese seien "so deplatziert", dass man es nicht kommentieren könne, sagte sie im Bundestag. NS-Vergleiche führten grundsätzlich nur ins Elend und verharmlosten die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus, sagte sie in einer Regierungserklärung. "Diese Vergleiche müssen aufhören." Sie seien der deutsch-türkischen Beziehungen nicht würdig.
Die Äußerungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der nach den Auftrittsverboten von türkischen Politikern in Deutschland von "Nazi-Methoden" geredet hatte, nannte Merkel "traurig und deprimierend". Die Meinungsunterschiede mit der Türkei seien "tiefgreifend und ernst". Die Reform der türkischen Verfassung bezeichnete Merkel "mehr als problematisch".
Deutschland müsse in aller Klarheit und auf der Grundlage seiner Werte mit der Türkei sprechen. "So unzumutbar manches ist - unser außen- und geopolitisches Interesse kann eine Entfernung der Türkei nicht sein", sagte Merkel. Der Streit betreffe allerdings Grundsätzliches, etwa Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit in der Türkei. "All das legt die ganze Bundesregierung in all ihren Gesprächen wieder und wieder auf den Tisch", sagte die Kanzlerin. Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland seien möglich, sofern sie angekündigt seien und genehmigt werden könnten.
"Europa darf sich nie einigeln"
Merkel rief zudem die EU angesichts des protektionistischen Kurses von US-Präsident Donald Trump zu einer einigen und offenen Handelspolitik auf. "Auch wenn wir in Teilen der Welt nationalistische und protektionistische Ansätze auf dem Vormarsch sehen: Europa darf sich niemals einigeln, abschotten und zurückziehen", sagte Merkel, allerdings ohne den Namen Trumps zu erwähnen. "Europa muss sich seine Offenheit gegenüber der Welt bewahren, auch und gerade in der Handelspolitik", forderte die Kanzlerin.
Außerdem drang sie auf mehr gemeinsame Anstrengungen der EU, um Fluchtbewegungen nach Europa einzudämmen. Es liege noch zu viel zu sehr im Argen. So sei die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln weiterhin unbefriedigend. Auf dem Mittelmeer seien quasi tagtäglich Todesfälle zu beklagen. Der Kampf gegen Schlepper müsse daher oberste Priorität haben. Zusammen mit dem Schutz der EU-Außengrenzen und dem Kampf gegen Fluchtursachen rette dies ganz konkret Leben. Merkel warb für weitere Kooperationen mit Herkunfts- und Transitländern nach dem Vorbild des umstrittenen EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei.
Am Nachmittag trifft Merkel sich in Brüssel mit ihren EU-Kollegen zum Frühjahrsgipfel, bei dem die wirtschaftliche Lage in Europa im Zentrum steht. Weitere Themen sind abermals die Flüchtlingskrise, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Lage auf dem Westbalkan.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa