Politik

Premierministerin May bereist EU Merkel bringt Brexit bis 2020 ins Spiel

Kanzlerin Merkel und Premierministerin May müssen sich abstimmen, wohin die Reise mit dem Brexit gehen soll.

Kanzlerin Merkel und Premierministerin May müssen sich abstimmen, wohin die Reise mit dem Brexit gehen soll.

(Foto: picture alliance/dpa)

Dass Großbritannien noch nicht an diesem Freitag aus der EU austreten sollte, darin sind sich wohl alle Beteiligten einig. Doch während die britische Premierministerin May für ihren Vorschlag einer Fristverlängerung bis Ende Juni wirbt, geht Kanzlerin Merkel gedanklich noch einen Schritt weiter.

Kanzlerin Angela Merkel hält im Brexit-Drama eine Verschiebung des britischen EU-Austritts bis Ende 2019 oder Anfang 2020 für möglich. Beim EU-Sondergipfel zum Brexit am morgigen Mittwoch in Brüssel werde es um eine "Flextension"-Erweiterung des Austrittstermins gehen, sagte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern in einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Zuvor hatte sie eineinhalb Stunden lang mit der britischen Premierministerin Theresa May im Kanzleramt über die Lage beraten.

Zum Besuch in Berlin kam May einige Minuten zu früh - sie musste daher zunächst allein über den roten Teppich laufen, eh Merkel mit ihr noch einmal nach draußen kam. Details über das eineinhalbstündige Treffen sind bislang nicht bekannt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es sei ein vertrauliches Gespräch gewesen. Beide Regierungschefinnen wollen einen chaotischen Austritt Großbritanniens aus der EU am 12. April verhindern. May hofft auf einen weiteren Aufschub bis zum 30. Juni. Sie sagte zu, dass das Vereinigte Königreich die Vorbereitungen zur Europawahl Ende Mai einleiten werde.

Merkel sagte Teilnehmern der Fraktionssitzung zufolge, welches Ergebnis der Sondergipfel in Brüssel bringe, sei noch nicht absehbar. Sie sehe aber die Chance, dass der Brexit-Termin verlängert werde. Eine solche Lösung werde dann flexibel gestaltet. Bei einer Einigung auf eine Verschiebung werde ein vorheriger Austritt Großbritanniens jederzeit möglich sein, wenn Großbritannien dies so entscheide. Komme es zu einem Austritt vor dem 22. Mai, werde das Land tags darauf nicht an der Europawahl teilnehmen - treten die Briten erst später aus, müssen sie mitwählen.

Nach Angaben mehrerer Teilnehmer sagte die Kanzlerin, womöglich werde man erst kurz vor der Europawahl wissen, ob Großbritannien daran teilnehme oder nicht. Die EU sei derzeit "in einer historischen Situation", sagte Merkel nach diesen Informationen weiter. Zugleich betonte sie die strategische Bedeutung Großbritanniens. Ein geordneter Brexit sei im Eigeninteresse Deutschlands. Sie gehe davon aus, dass das britische Unterhaus die Entscheidung des EU-Gipfels vom Mittwoch akzeptieren werde. Abgeordnete gewannen den Eindruck, dass Merkel den Briten Brücken bauen wolle. Sie wolle offenbar vermeiden, dass die Briten durch immensen Druck in ein ungeordnetes Manöver stürzten.

Längerer Aufschub offenbar im Trend

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat eine flexible Verlängerung um bis zu zwölf Monate vorgeschlagen. Der Vorschlag ist auch als "Flextension" oder "Flexi-Brexit" bekannt. Die Entscheidung soll am Mittwochabend oder in der Nacht zum Donnerstag bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel fallen. Am Abend berät sich May in Paris mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Frankreich ist ebenso grundsätzlich zu einer weiteren Fristverlängerung bereit. Allerdings müsse May aufzeigen, wie dann eine Verständigung zustande kommen könne, heißt es in Paris.

Die EU will Diplomaten zufolge Großbritannien einen weiteren Brexit-Aufschub gewähren. Kurz vor dem Sondergipfel werde nur noch über die Bedingungen für eine Fristverlängerung und die zeitliche Dauer diskutiert, hieß es nach einem Ministertreffen in Luxemburg zur Vorbereitung des Treffens. Ein Teil der Mitgliedstaaten ist demnach dafür, die Austrittsfrist bis Ende Juni zu verlängern. Ein anderer Teil bevorzugt einen längeren Aufschub, um das Risiko erneuter Diskussionen im Sommer auszuschließen.

Der Trend soll den Angaben zufolge in Richtung einer längeren Frist gehen, wie sie auch Kanzlerin Merkel ins Spiel brachte. Einige Medien - darunter der "Guardian" - spekulierten, dass die EU-Staaten eine Deadline bis Ende dieses Jahres anbieten könnten. Eine Bedingung für eine erneute Verschiebung des Brexit-Datums soll sein, dass die Briten am 23. Mai an der Europawahl teilnehmen. Dies soll sicherstellen, dass es keine rechtlichen Schwierigkeiten gibt, wenn Großbritannien im Sommer noch EU-Mitglied sein sollte, aber keine Abgeordneten gewählt hat.

Macron will Aufschiebung bis Jahresende

Zudem wollen die Mitgliedstaaten erreichen, dass sich London verpflichtet, nicht aktiv in EU-Entscheidungen einzugreifen. Relevant könnte dies etwa bei der Ernennung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten oder den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis Ende 2027 sein.

Das Onlineportal "Buzzfeed" berichtete derweil unter Berufung auf europäische Diplomaten, Macron wolle eine Brexit-Aufschiebung höchstens bis zum Jahresende. Der französische Präsident spreche sich zudem für eine Überprüfungen alle drei Monate aus. Damit solle sichergestellt werden, dass das Vereinigte Königreich die EU-Geschäfte nicht lahmlegen könne.

Auch der irische Außenminister Simon Coveney zeigte sich offen für eine abermalige Verschiebung. Voraussetzung dafür sei aber ein präziser Plan der nächsten Schritte Mays, sagte Coveney in Luxemburg. Ähnlich äußerte sich der rumänische Minister für Europa-Angelegenheiten, George Ciamba, dessen Land zurzeit die rotierende EU-Präsidentschaft innehat.

EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte bei dem Treffen der Europaminister in Luxemburg: "Jede Verlängerung sollte einem Zweck dienen. Die Dauer sollte verhältnismäßig zum Ziel sein. Unser Ziel ist ein geordneter Ausstieg."

Unterhaus debattiert über Frist-Vorschlag

Auf der Suche nach einem Weg aus der Brexit-Sackgasse setzten die britische Regierung und die Opposition in London ihre Gespräche fort. Labour hatte zuvor kritisiert, dass die Regierung auf ihrer Meinung beharre. Justizminister David Gauke sprach hingegen von "konstruktiven" Gesprächen. Es sei aber noch zu früh zu sagen, ob man zu einer Einigung komme. "Flexibilität von beiden Seiten ist nötig", sagte Gauke dem Sender BBC.

Das Parlament in London will am Nachmittag über Mays Vorschlag für die neue Frist debattieren - und könnte ein anderes Datum vorschlagen. Das Mitspracherecht hatten die Abgeordneten sich erst in der Nacht zuvor per Gesetz gesichert, um ein Ausscheiden aus der Staatengemeinschaft ohne Abkommen zu verhindern. Die Regierung hatte das Gesetz, das die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper vorgelegt hatte, als unnötig abgelehnt. Cooper erklärte, dass beide Kammern des Parlaments nun klargemacht hätten, dass ein No-Deal unter anderem Arbeitsplätze, die medizinische Versorgung und die Sicherheit im Land gefährde.

Quelle: ntv.de, fzö/rts/dpa

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