Politik

Drittes Schaulaufen der CDU Merz stiehlt Spahn die Show

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Noch sitzen sie gemeinsam in der ersten Reihe - am 7. Dezember wird eine(r) von ihnen zum CDU-Chef gewählt. Oder zur CDU-Chefin.

(Foto: imago/STAR-MEDIA)

Auf der dritten Regionalkonferenz der CDU versuchen alle drei Kandidaten, mit dem Thema Migration zu punkten. Kramp-Karrenbauer verweist auf ihre Regierungserfahrung, Spahn auf seinen Mut zur Debatte. Merz setzt auf Sachlichkeit und Radikalität - mit Erfolg.

Karl-Josef Backhaus ist ganz entspannt. Wenn er über den CDU-Vorsitz abstimmen dürfte, würde er sich für Friedrich Merz entscheiden. Sollte jedoch Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Parteitag in Hamburg in zwei Wochen gewählt werden, wäre das für den älteren Herrn auch keine Katastrophe. Nur von Jens Spahn, dem dritten Kandidaten, hält der Thüringer nicht so viel. Der habe manchmal verrückte Ideen. "Der soll mal Gesundheitsminister bleiben."

Zusammen mit rund 700 anderen CDU-Mitgliedern aus Thüringen und Hessen ist Backhaus zur dritten Regionalkonferenz nach Seebach bei Eisenach gekommen, um sich die drei Bewerber um die Merkel-Nachfolge anzusehen. Die meisten hier, das ergibt eine alles andere als repräsentative Umfrage vor der Veranstaltung, bevorzugen Merz. An zweiter Stelle folgt Kramp-Karrenbauer. Manche schwanken zwischen beiden. "AKK" sei vermutlich am besten geeignet, die gesamte Partei mitzunehmen, sagt ein Hesse. Die Frage sei nur, ob sie auch Führung geben könne.

Für Spahn kann sich nur einer erwärmen, Simon Breuer, ein Student aus dem Thüringer Ilm-Kreis. "Weil er jung ist und damit Erneuerung verkörpert, weil er konservativ ist und gleichzeitig für Toleranz steht und weil es ein gutes Signal in Richtung des linken Lagers wäre, einen Homosexuellen zum CDU-Vorsitzenden zu wählen." Klar, Spahn polarisiere, aber das belebe doch die Debatte. "Man hat sich nach so langer Zeit mit Merkel daran gewöhnt, dass niemand mehr polarisiert, da wird jetzt jede kleine Provokation als zu viel empfunden."

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In Lübeck und Idar-Oberstein hatte Kramp-Karrenbauer als Erste gesprochen, in Seebach schob ihr das Los den dritten Startplatz zu.

(Foto: imago/VIADATA)

Breuers Analyse könnte stimmen. Ein Mann aus dem Lahn-Dill-Kreis, der Merz wählen würde, sagt, an Spahn störe ihn "dieser Überehrgeiz und dieses Sich-nicht-zurückhalten-können". Spahn vertrete seine Positionen aus strategischen Gründen und nicht aus Überzeugung. Damit spalte er die Partei.

Die Biografie, die der Journalist Michael Bröcker über Spahn geschrieben hat, endet mit einem Spahn-Spruch, der seit Erscheinen des Buches häufig zitiert wurde: "Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden." Für einen 80-Jährigen aus Fulda gilt diese Einschätzung zweifellos, "beliebt" ist Spahn bei ihm nicht. "Zu dem habe ich überhaupt keine Meinung", sagt er. Dann schiebt er doch noch ein Urteil nach. "Der ist mir zu aalglatt." Von Kramp-Karrenbauer ist er ebenfalls nicht überzeugt. "Ich weiß nicht, ob sie das kann, eine solche Partei führen." Der Mann aus Fulda ist gebürtiger Westfale - und Merz-Fan. "Ich habe damals bedauert, dass er sich aus der Politik zurückgezogen hat." Um so schöner sei es, dass er wieder da sei.

Dann beginnt die Veranstaltung. Im Publikum sitzen durchaus auch Frauen und Jüngere. Überwiegend besteht es jedoch aus Männern, nicht wenige davon mit ergrautem Haar. Wie bereits in Lübeck und Idar-Oberstein stellen sich die drei Bewerber zunächst in kurzen Reden vor und erzählen dabei weitgehend das Gleiche wie bei den ersten beiden Regionalkonferenzen. Wie immer wird ausgelost, wer als Erster spricht. Dieses Mal trifft es Merz. Er ist nicht nur braungebrannt, er spricht auch sehr lässig und kommt damit gut an. Nach seinem Vortrag bekommt er starken, lang anhaltenden Applaus.

Für Beifall muss Spahn härter arbeiten

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Spahn traf in Seebach durchaus auf Zuspruch.

(Foto: imago/VIADATA)

Falls Vorbehalte gegen Spahn im Saal verbreitet sind, so merkt man das nicht. Der Gesundheitsminister wird freundlich empfangen und hält eine Rede, in der es vor allem um Migration und den "Mut zur Debatte" geht. Wenn er "politische Überkorrektheit" kritisiert oder sagt: "Eine 15-Jährige gehört übrigens in die Schule und nicht an den Traualtar", dann klatscht das Publikum. Doch Spahn muss für seinen Beifall härter arbeiten als Merz - das ist auch später noch so, als die drei Bewerber Fragen aus dem Publikum beantworten. Kramp-Karrenbauer schließlich spricht in der Vorstellungsrunde geradezu kämpferisch. Sie fordert damit gewissermaßen starken Beifall ein und sie erhält ihn auch. In der Diskussion spricht sie ruhiger und wird dann sogar für Schachtelsätze beklatscht.

Was das alles für den Parteitag in Hamburg bedeutet? Spahn kann einen Saal zum Jubeln bringen, das hat er schon oft bewiesen. Anders als Merz löst er jedoch nicht allein durch seine Erscheinung Euphorie aus. Und obwohl er sich in den vergangenen Wahlkämpfen abgestrampelt hat, fehlt ihm offenbar die Nähe zur Basis, die Kramp-Karrenbauer hat.

Die Debatte in Seebach ist etwas lebhafter als die ersten beiden Konferenzen. Dadurch werden die stilistischen Unterschiede deutlicher: Merz hat eine flaneurhafte Leichtigkeit, die Spahn und Kramp-Karrenbauer abgeht. Wenn Merz einen Fehler macht, dann bleibt er locker. "Liebe Freundinnen und Freunde aus Thüringen und aus Sachsen", ruft er in den Saal. Das Publikum reagiert mit Murren. "Hessen", korrigiert er sich und fährt ungerührt fort.

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Kramp-Karrenbauer gilt als Favoritin auf den CDU-Vorsitz.

(Foto: imago/VIADATA)

Inhaltlich findet in Seebach eine Akzentverschiebung statt: Alle drei Kandidaten sprechen ausführlich über das, was Spahn mal den "weißen Elefanten im Raum" genannt hat, über Migration. Es ist das Thema, mit dem sich am zuverlässigsten Applaus generieren lässt. Ganz offensichtlich ist es damit aber auch das Thema, das die Menschen im Publikum am stärksten bewegt.

Merz überholt Spahn

Kramp-Karrenbauer stellt sich dabei als Politikerin dar, die allzu scharfe Zuspitzungen weitgehend vermeidet, aber in der Sache hart ist. Sie sei ja wahrscheinlich die Einzige hier auf dem Podium, die - als Innenministerin des Saarlandes - selbst Abschiebungen veranlasst habe, sagt sie.

Spahn macht deutlich, dass er es war, der die Diskussion über Migration schon zu einem Zeitpunkt geführt habe, als die Stimmung in der CDU noch eine andere war: Es fühle sich "gut an, was für Dinge auf einmal alles diskutiert werden können". Die Durchsetzung von Abschiebungen nennt er die Frage, "an der sich entscheiden wird, ob wir Vertrauen zurückgewinnen".

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Merz stellte das Asylrecht infrage - allerdings in sehr nachdenklichem Ton.

(Foto: imago/VIADATA)

Merz kann weder auf persönliche Erfahrungen in der Migrationspolitik verweisen noch hat er in den vergangenen Jahren größere Diskussionen angestoßen. Vielleicht ist das der Grund, warum er inhaltlich weiter geht: Merz fordert eine Debatte darüber, ob das im Grundgesetz festgeschriebene Grundrecht auf Asyl nicht eingeschränkt werden müsse. Deutschland sei das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung habe. "Ich bin schon lange der Meinung, dass wir darüber reden müssen, ob dieses Individualrecht Bestand haben kann, wenn wir ein europäische Asylrecht einführen wollen."

Was Merz vorschlägt, ist nicht weniger, als die Abschaffung eines Grundrechts zu diskutieren. Aber er macht dies so beiläufig und in einem so nachdenklichen Ton, dass dies im Saal nicht wie eine doch sehr weitgehende politische Forderung wirkt, sondern wie ein wohldurchdachter Gedanke.

In der Debatte über den UN-Migrationspakt, der ansonsten ähnlich geführt wird wie in Idar-Oberstein, kommt Merz darauf zurück. "Wir sind der einzige Staat, der diesem Pakt beitreten will, der ein Grundrecht auf Asyl hat." Wenn Deutschland dem Pakt beitrete, müsse die Bundesregierung vorher klarstellen, dass Verwaltungsgerichte sich später nicht darauf berufen und beispielsweise Klimaflüchtlingen Asyl gewähren könnten.

Merz gelingt das Kunststück, Spahn zu übertrumpfen, ohne wie ein Scharfmacher zu wirken. Das gelingt ihm, weil er nicht nur zwei Schritte vorgeht, sondern gelegentlich auch einen zurück. Auch er fordert konsequente Abschiebungen, weist aber darauf hin, dass nicht in Länder abgeschoben werden könne, "in denen offener Bürgerkrieg herrscht".

"Spahn ist mein Favorit - in zehn Jahren"

Nach der Debatte stehen zwei CDU-Mitglieder zusammen und werten den Abend aus. Sie ärgern sich über die Nachricht "Merz stellt Grundrecht auf Asyl infrage", die sie als Push-Nachricht auf ihren Handys erhalten haben. Das sei doch nicht die Botschaft des Abends gewesen, sagt Andreas Neumann, ein Kommunalpolitiker aus Eisenach. Die Kernaussage sei erstens, die Kampfansage an die AfD. Und zweitens, dass die CDU sich wieder um die Bürger kümmere und sie nicht dem rechten Rand überlasse. Sein Kollege Thomas Wolf aus Bad Salzungen ergänzt, eine weitere zentrale Aussage der Regionalkonferenzen sei, dass demokratischer Wettbewerb auch anständig ausgetragen werden könne. Beide fanden Merz am besten. "Spahn ist dann in zehn Jahren mein Favorit", sagt Neumann.

Charlotte Becker, eine Studentin aus Erfurt, die vor Beginn der Veranstaltung zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz geschwankt hatte, hat sich entschieden. "Merz ist realistisch, aber er nimmt kein Blatt vor den Mund", sagt sie. "Mit seiner ruhigen Art hat er mich überzeugt." Simon Breuer, der Spahn-Anhänger, nickt. "Ich habe Merz extrem gern zugehört, das muss ich sagen."

Quelle: ntv.de

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