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Gesetzeslage "unzweifelhaft" Migrationsforscher: Zurückweisungen sind rechtswidrig

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Union und Bundesinnenministerium wollen mehr Geflüchtete an den deutschen Grenzen abweisen.

Union und Bundesinnenministerium wollen mehr Geflüchtete an den deutschen Grenzen abweisen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Union fordert rechtssichere Zurückweisungen von Geflüchteten an deutschen Grenzen. Das soll Bundesinnenministerin Faeser sicherstellen. Migrationsexperten sind sich jedoch sicher, dass das Vorhaben scheitern wird. Die Rechtslage sei hier sehr klar. Der Union werfen sie Taktik vor.

Migrationsforscherinnen und -forscher wenden sich mit scharfen Worten gegen die Pläne, Geflüchtete direkt an der Grenze zurückzuweisen. "Die aktuell diskutierte Politik, schutzsuchende Personen an den Grenzen Deutschlands zurückzuweisen, stellt einen gefährlichen Populismus in der migrationspolitischen Debatte dar", erklärte der Rat für Migration. "Aus der geltenden Gesetzeslage ergibt sich unzweifelhaft, dass eine Zurückweisung von schutzsuchenden Personen rechtswidrig ist."

Der Rat wandte sich auch gegen die Idee, einen nationalen Notstand gemäß den europäischen Verträgen auszurufen, um die Grenz-Zurückweisungen zu legitimieren. "Alle bisherigen Versuche, auf diesem Weg EU-Recht zu umgehen, sind vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurückgewiesen worden." Das Ausrufen eines Notstands wäre "eine brandgefährliche Strategie" und zudem "rein taktischer Natur".

"Die Folgen einer Politik der Zurückweisung von schutzsuchenden Personen an deutschen Grenzen sind unabsehbar", fügte der Rat hinzu. "Aus migrationswissenschaftlicher Perspektive sind nationale Alleingänge im System einer koordinierten europäischen Migrationspolitik kontraproduktiv. Sie führen zu unerwarteten Dynamiken im Migrationsgeschehen und blockieren die Weiterentwicklung europäischer Politik."

"Populistische Debatte"

Auch die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Montag angeordneten Kontrollen an sämtlichen deutschen Landgrenzen stoßen beim Rat auf Kritik. "Diese Maßnahme gefährdet den Schengener Raum der Reisefreiheit, eine zentrale Errungenschaft der europäischen Einigung. Sie stellt aber auch die Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bis 2026 ernsthaft infrage."

Das europäische Asylsystem und das individuelle Grundrecht auf Asyl würden derzeit grundlegend infrage gestellt - dabei handele es sich um eine populistische Debatte, beklagte der Rat. "Notwendig ist es nun vielmehr, eine evidenzbasierte Debatte zur Migrationspolitik in Europa zu beginnen."

Faeser hatte Montag parallel zur Anordnung der Grenzkontrollen erklärt, die Regierung habe ein "Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen" von Geflüchteten an den Grenzen entwickelt, das über das bisherige Maß hinausgehe. Details wollte sie zunächst nicht nennen.

Flüchtlinge kommen in Aufnahmelager

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Die Grenz-Zurückweisung von Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland ist die zentrale Forderung der Unionsfraktion in Verhandlungen mit der Bundesregierung und den Ländern über die künftige Migrationspolitik. Die nächste Runde der Gespräche wurde für Dienstagnachmittag angesetzt.

Bislang werden Asylsuchende von der Grenze in Aufnahmelager im Gebiet der Bundesrepublik gebracht. Danach wird geprüft, ob ein anderes EU-Land nach den sogenannten Dublin-Regeln für das Asylgesuch zuständig ist und die Person dorthin zurückgeschickt werden kann.

Der Rat für Migration ist ein bundesweiter Zusammenschluss von rund 220 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen, die zu Fragen von Migration und Integration forschen. Seine zentrale Aufgabe sieht der Rat darin, politische Entscheidungen und öffentliche Debatten über Migration, Integration und Asyl kritisch zu begleiten.

Quelle: ntv.de, als/AFP

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