Politik

Kriegstag im Überblick Moskau nimmt ukrainische Städte unter Beschuss - Neuer russischer Befehlshaber erstmals in Aktion

Russland hatte an diesem Montag mehr als 80 Raketen auf ukrainische Städte abgefeuert.

Russland hatte an diesem Montag mehr als 80 Raketen auf ukrainische Städte abgefeuert.

(Foto: IMAGO/NurPhoto)

Viele Menschen sind gerade auf dem Weg zur Arbeit, als die russischen Raketen einschlagen. Der Kremlchef zieht seine bisher folgenreichste Operation im Ukraine-Krieg durch. Bei der massenhaften Bombardierung starben mindestens elf Menschen. Der 229. Kriegstag im Überblick:

Selenskyj: Putin versucht, Ukraine als Staat zu vernichten

Von einem "Akt des Terrors" sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Viele Menschen in Kiew und anderen Städten der Ukraine waren am Morgen auf dem Weg zu Arbeit, als die Raketen einschlugen, Straßen und Häuser zerstörten und auch Autos in Brand setzten. Landesweit gab es Luftalarm. Das Entsetzen in der Ukraine und weltweit war groß. "Die ganze Welt sah nun wieder das wahre Gesicht eines Terrorstaates, der unsere Menschen tötet", sagte Selenskyj. Russland kämpfe nicht auf dem Schlachtfeld, sondern greife friedliche Städte mit Raketen an. Putin versuche, die Ukraine als Staat zu vernichten. Der Präsident forderte in Gesprächen mit westlichen Staats- und Regierungschefs unter dem Eindruck der Angriffe noch mehr schwere Waffen, um die Ukraine von dem russischen Aggressor zu befreien.

Zahlreiche Tote, Dutzende Verletzte

Russland hatte an diesem Montag mehr als 80 Raketen auf ukrainische Städte abgefeuert. Allein in Kiew kamen nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko 5 Menschen ums Leben, 52 wurden verletzt. Hier schlugen die Geschosse vor allem im Zentrum ein. Erst nach mehr als fünfeinhalb Stunden wurde der Luftalarm in der Hauptstadt aufgehoben. Betroffen von den russischen Angriffen waren aber auch die Städte Dnipro, Saporischschja und Krywyj Rih im Osten sowie Lwiw, Chemelnyzkyj und Schyytomyr im Westen und Mykolajiw im Süden des Landes. Der Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, sprach von einem "massiven Raketenangriff auf das Gebiet" und klagte über Tote und Verletzte. Ukrainischen Angaben nach wurden vor allem Objekte der Energieinfrastruktur getroffen.

Putin spricht von Reaktion auf "Terroranschläge"

Putin nannte den Angriff eine Reaktion auf die "Terroranschläge" gegen russisches Gebiet. Am Samstag hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Putin machte am Sonntag den ukrainischen Geheimdienst SBU dafür verantwortlich. Dieser hat eine Beteiligung an der Explosion nicht eingeräumt, machte sich aber lustig über das brennende Bauwerk, das ein Herzensprojekt Putins ist.

Kiew: Kreml plante Beschuss schon vor Brücken-Explosion

Russland hat den schweren Raketenbeschuss ukrainischer Städte nach ukrainischen Angaben bereits seit Anfang Oktober geplant - und damit schon vor der Explosion auf der Krim-Brücke vor wenigen Tagen. Dies teilte der Militärgeheimdienst in Kiew mit. Die russischen Streitkräfte hätten am 2. und 3. Oktober vom Präsidialamt die Anweisung erhalten, massive Raketenangriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine vorzubereiten, so der Geheimdienst. Als Ziele seien Objekte der kritischen zivilen Infrastruktur und die zentralen Bereiche der dicht besiedelten ukrainischen Städte ausgemacht worden.

Bundesregierung sichert Ukraine Unterstützung zu

Die Bundesregierung und viele andere Staaten sicherten der Ukraine erneut ihre Unterstützung zu. Kanzler Olaf Scholz telefonierte nach dem Angriff mit Selenskyj und versprach die Solidarität Deutschlands und der anderen G7-Staaten. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schrieb bei Twitter: "Wir tun alles, um die ukrainische Luftverteidigung schnell zu verstärken." Mit Blick auf das russische Raketenfeuer von Menschen in Todesangst im Kiewer Morgenverkehr und einem Einschlagskrater neben einem Spielplatz betonte sie: "Es ist niederträchtig und durch nichts zu rechtfertigen, dass Putin Großstädte und Zivilisten mit Raketen beschießt."

NATO will Kiew unterstützen, "gegen die Aggression des Kreml zu kämpfen"

Die schweren russischen Angriffe riefen auch bei der NATO und EU Empörung hervor: Er habe mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba gesprochen und "Russlands schreckliche und wahllose Angriffe auf zivile Infrastruktur in der Ukraine verurteilt", schrieb NATO-Generalsekretär Stoltenberg bei Twitter. Die NATO werde die Ukraine weiterhin dabei unterstützen, "gegen die Aggression des Kremls zu kämpfen, solange, wie es nötig ist". Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte die Angriffe "aufs Schärfste". Er sei zutiefst schockiert. "Solche Taten haben keinen Platz im 21. Jahrhundert."

Melnyk nennt Russlands Atomwaffen-Drohung real
Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, bezeichnet die heutigen Raketenangriffe auf die Ukraine als "zweitschlimmsten Tag" seit dem Beginn des Krieges. "Menschen sind zu Tode gekommen in der Rush Hour ganz früh am Vormittag, und das sollte, glaube ich, auch für viele Deutsche ein Warnsignal sein, dass man etwas anderes tun sollte, und auch mit diesem Russland, das immer mehr ein Terrorstaat wird, anders umgehen sollte", sagt Melnyk ntv. Auch wegen der Drohungen Russlands, Atomwaffen einzusetzen, mache man sich "riesige Sorgen". Diese Gefahr sei leider real, der heutige Tag habe gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin offenbar zu allem fähig sei. "Es liegt jetzt aus unserer Sicht an den Atommächten dieser Welt, ihm klar zu machen, Herrn Putin, dass er diesen Schritt besser nicht wagen sollte, dass der Preis dann für ihn ein enormer sein wird."

Kiew ruft zum Stromsparen auf

Die ukrainische Führung appellierte nach den schweren Luftangriffen an die Bevölkerung, am Abend elektrische Geräte auszuschalten, um das Stromnetz nicht zu überlasten. "Wegen des heutigen Beschusses bitten wir alle inständig, nach Möglichkeit zwischen 17 und 22 Uhr den Energieverbrauch zu beschränken", schrieb der stellvertretende Chef des Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, auf Telegram. Nur so lasse sich die Spitzenbelastungszeit ohne weitere Abschaltungen überstehen. Der Vertreter des ukrainischen Präsidenten im Parlament, Andrij Herus, warnte vor einem "der schwersten Abende" für die ukrainische Energieversorgung. In einigen Regionen werde es gar keinen Strom geben, in anderen werde nach Plan für eine gewisse Zeit der Strom abgestellt.

Russischer Präsident droht mit noch härterem Vorgehen

Putin sagte indes bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates, dass die Ziele der "Präzisionswaffen" die Energieinfrastruktur, militärische Anlagen und das Fernmeldewesen gewesen seien. Der 70-Jährige drohte mit noch härterem Vorgehen. "Daran sollte niemand irgendwelche Zweifel haben." Abgefeuert worden waren die Raketen vom Schwarzen Meer, von Bombern der Luftstreitkräfte und vom Boden.

Auch Medwedew droht wieder: "Die erste Episode ist vorbei. Es wird weitere geben"

Schon am Sonntagabend hatte Putins Vertrauter, Ex-Präsident Dmitri Medwedew, mit einem Schlag gegen die Ukraine gedroht. An diesem Montag, nach dem massiven Beschuss, stieß er neue Drohungen Richtung Kiew aus. "Die erste Episode ist vorbei. Es wird weitere geben", schrieb Medwedew, der Vizesekretär des Sicherheitsrats ist, bei Telegram. Der ukrainische Staat sei in seiner jetzigen Form eine ständige Bedrohung für Russland. Deshalb müsse die politische Führung des Nachbarlands vollständig beseitigt werden, betonte Medwedew. Dies sei seine "persönliche Position".

Moskau: "Das Ziel des Schlags wurde erreicht"

Das russische Verteidigungsministerium bezeichnete indes die massiven Raketenangriffe auf Kiew und andere ukrainische Großstädte als Erfolg. "Das Ziel des Schlags wurde erreicht. Alle benannten Ziele wurden getroffen", erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Kadyrow mit Raketenangriffen zufrieden - "Penner-Selenskyj" soll rennen

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow äußerte sich ebenfalls befriedigt. "Was hast du Penner-Selenskyj denn gedacht: Du darfst und andere nicht", schrieb er auf seinem Telegram-Kanal an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gerichtet. Der Führung in Kiew warf Kadyrow die langjährige Bombardierung des Donbass-Gebiets in der Ostukraine vor und erklärte: "So, jetzt bin ich zu 100 Prozent zufrieden mit der Durchführung der militärischen Spezialoperation." Kadyrow forderte Selenskyj zur Flucht auf. "Wir haben dich, Selenskyj, gewarnt, dass Russland noch nicht einmal richtig angefangen hat. Also hör auf zu jammern wie eine Niete und renn lieber, so lange es noch nicht bei dir eingeschlagen hat."

Ukraine weist Putins Terrorvorwürfe kategorisch zurück

Die Ukraine machte einmal mehr deutlich, dass nicht sie Russland provoziere, sondern Moskau einen Krieg gegen das in die EU und NATO strebende Land führe. "Nein, Putin wurde nicht von der Krim-Brücke zum Raketenterror "provoziert", teilte Außenminister Dmytro Kuleba per Twitter mit. "Russland hatte die Ukraine auch vor der Brücke ständig mit Raketen getroffen. Putin ist verzweifelt wegen der Niederlagen auf dem Schlachtfeld und versucht mit Raketenterror, das Kriegstempo zu seinen Gunsten zu ändern."

Neuer Befehlshaber der russischen Truppen erstmals in Aktion

Zur Freude der radikalen Kräfte war auf Geheiß Putins am Samstag der Armeegeneral Sergej Surowikin eingesetzt worden. Der 55-Jährige gilt als besonders brutal - und vor allem als Offizier mit breiter Erfahrung in Kriegen, darunter in Syrien und davor in der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus. Für Surowikin war dieser Montag mit den Bombardements der erste Arbeitstag auf neuem Posten. Der "Held Russlands" soll für Putin die Wende bringen in dem Krieg nach vielen Erfolgen der ukrainischen Armee bei ihrer Verteidigungsoffensive und der Rückeroberung vieler Ortschaften.

Krieg weitet sich aus

Die Regierung der Republik Moldau beschuldigte Russland, bei den Raketenangriffen den moldauischen Luftraum verletzt zu haben. In Belarus kündigte Machthaber Alexander Lukaschenko die Bildung einer regionalen Militäreinheit der Streitkräfte des Landes mit der russischen Armee an. Dies habe er mit Putin vereinbart, sagte Lukaschenko, der schon zuvor seine Militärbasen den russischen Streitkräften zur Verfügung gestellt hatte. Die Ukraine sieht Belarus bereits als Kriegspartei.

Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Liveticker nachlesen.

Quelle: ntv.de, jki/dpa

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