Wie Hitlers "Wiederbewaffnung" Moskau vergleicht Bundeswehr-Milliarden mit Nazi-Aufrüstung
03.06.2022, 17:51 Uhr
"Wir wissen nur zu gut, wie das enden kann": Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Freitag in Moskau.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Mit großer Mehrheit beschließt der Bundestag eine milliardenschwere Ertüchtigung der Bundeswehr. Bis auf die Linke sehen alle Parteien Russlands Angriffskrieg als Wendepunkt deutscher Verteidigungspolitik. In Moskau fühlt man sich dagegen an Hitlers Wiederbewaffnung erinnert.
Russland hat unter Anspielung auf die Nazi-Zeit eine "Wiederbewaffnung" Deutschlands angeprangert. Die Pläne der Bundesregierung für ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr "werten wir als eine weitere Bestätigung, dass Berlin auf dem Weg zu einer erneuten Wiederbewaffnung ist", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa in Moskau. "Wir wissen nur zu gut, wie das enden kann." Die Äußerungen lassen sich als Anspielung auf das Wiederaufrüstungsprogramm Nazi-Deutschlands in den 1930er-Jahren unter Adolf Hitler deuten.
Vor dem Hintergrund des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine billigte der Bundestag eine Grundgesetzänderung zur Einrichtung des Bundeswehr-Sondervermögens. Mit den 100 Milliarden Euro soll die Ausrüstung der Truppe modernisiert werden. Geplant ist etwa die Anschaffung moderner F-35-Kampfjets, neuer Korvetten für die Marine sowie von Nachfolgern für den Schützenpanzer Marder und den Truppentransporter Fuchs. Dafür stimmten in namentlicher Abstimmung 567 Abgeordnete, es gab 96 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen.
Baerbock: "In einer anderen Welt aufgewacht"
Spitzenpolitiker von Koalition und Unionsfraktion warben im Bundestag für das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr. "Dies ist der Moment, wo Deutschland sagt: Wir sind da, wenn Europa uns braucht", sagte Außenministerin Annalena Baerbock. "Am 24. Februar sind wir in einer anderen Welt aufgewacht", erinnerte die Grünen-Politikerin in der Debatte über die Bundeswehr-Milliarden. Russlands brutaler Angriffskrieg schaffe "eine neue Realität in Europa". Dies bedeute, das kostbare Gut des Friedens und der Freiheit müssten "wir auch militärisch verteidigen".
Mit Blick auf die Ausstattung der Bundeswehr werde nun nachgeholt, was jahrelang nicht angegangen wurde, verwies Baerbock auf nicht funktionierende Panzer und fehlende Schutzausrüstung. Zugleich werde es eine Reform des Beschaffungswesens geben. Die Ministerin bedauerte, dass wegen des Widerstands der Union nicht auch die Cybersicherheit von dem Sondervermögen umfasst werde.
Lambrecht: "Sicherheit hat ihren Preis"
Angesichts des russischen Angriffskrieges müsse sich Deutschland der Tatsache stellen, "dass Sicherheit ihren Preis hat und wir bereit sein müssen, unsere Werte auch militärisch zu verteidigen", sagte auch Christine Lambrecht. Die Bundeswehr sei in den vergangenen Jahrzehnten heruntergewirtschaftet worden. "Wir legen dafür den Grundstein, dass mit dieser Mangelverwaltung Schluss ist", betonte die Verteidigungsministerin. Dies schulde Deutschland den Soldatinnen und Soldaten und "wir schulden das auch unseren Verbündeten".
"Der Angriff Russlands auf die Ukraine markiert eine Zäsur, die historischen Charakter hat", sagte Finanzminister Christian Lindner. Deutschland habe lange von einer vermeintlichen Friedensdividende profitiert. Jetzt müsse man neu lernen, "dass wir in jeder Generation Verteidigungsfähigkeit neu stärken" müssen.
Linke: "Der Wahnsinn"
Für die Grundgesetzänderung wurde wegen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auch die Unterstützung der Union benötigt. "Heute ist ein guter Tag für die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands", sagte deren Fraktionsvize Mathias Middelberg. "Es ist ein notwendiger und wichtiger Schritt, dass wir die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes wieder herstellen", sagte der CDU-Politiker weiter. Er hob hervor, es sei der Union zu verdanken, dass die 100 Milliarden Euro nun auch tatsächlich ausschließlich für die Bundeswehr eingesetzt würden.
Ein striktes Nein zu dem Sondervermögen kam von Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. "Was könnte man alles mit den 100 Milliarden Euro machen", gab er zu bedenken, etwa für ein besseres Bildungssystem. "Aus staatspolitischer Verantwortung stimmen wir geschlossen mit Nein", stellte Bartsch klar. Die mit dem Sondervermögen verbundene Aufrüstung sei "der Wahnsinn".
Quelle: ntv.de, mau/AFP