
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ärgert sich vor allem über das Timing des Karlsruher Gerichts.
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Er habe Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, sagt SPD-Fraktionschef Mützenich im Bundestag - und er hoffe, dass Karlsruhe auch Respekt vor dem Bundestag habe. Diese Art von Kritik am höchsten deutschen Gericht ist unüblich.
Ungewöhnlich deutlich hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Kritik am Bundesverfassungsgericht geübt. Im Bundestag sagte Mützenich, er sei unsicher, ob die strenge Auslegung der Haushaltsprinzipien von Jährlichkeit und Jährigkeit, mit denen die Karlsruher Richter den Bundestag auf eine jeweils jahresbezogene Haushaltsplanung verpflichtet hatten, den Herausforderungen gerecht werde.
"Jeder Investor in diesem Land plant länger als ein Jahr", sagte Mützenich. Auch mit Blick auf Naturkatastrophen wie die im Ahrtal seien diese Prinzipien problematisch.
Allzu klare Kritik von Politikern am Bundesverfassungsgericht ist unüblich, fast schon ein Tabu. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor in einer Regierungserklärung gesagt, mit seinem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht Klarheit geschaffen, "und das Gericht hat hier das letzte Wort". Wissenschaftlich möge das Urteil weiter diskutiert werden. "Politisch aber ist die Diskussion mit dem Karlsruher Richterspruch beendet."
"Respekt" vor dem Bundesverfassungsgericht
Dagegen sagte Mützenich, das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sei nur schwer mit dem Karlsruher Urteil zum Klimaschutz von 2021 in Übereinstimmung zu bringen. Am meisten habe ihn jedoch gestört, dass das Urteil nur einen Tag vor der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gekommen sei - schon das Urteil zum Gebäudeenergiegesetz sei erst kurz vor der letzten Lesung des Gesetzentwurfs gekommen. Dies provoziere "manche Diskussionen" in der SPD-Fraktion.
Mützenich betonte vor und nach seiner Kritik, er habe Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, "aber ich will auch gleichzeitig sagen, ich hoffe, dass auch das Bundesverfassungsgericht vor anderen Verfassungsinstitutionen wie dem Deutschen Bundestag Respekt hat".
Der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg entgegnete, Mützenich solle froh sein, dass das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr entschieden habe. "Jetzt haben Sie noch die Chance, einen Nachtragshaushalt zu machen und die Lage zu reparieren", sagte Middelberg in der Bundestagsdebatte.
Unabhängig von seiner Kritik am Karlsruher Urteilsspruch plädierte Mützenich für eine Aussetzung der Schuldenbremse im kommenden Jahr. Dazu gibt es in der Koalition noch keine Festlegung. Darüber hinaus stellte Mützenich die Schuldenbremse in ihrer heutigen Form infrage. "Wir müssen uns fragen, ob sie angemessen ist vor den Herausforderungen dieser Zeit", sagte er. Nötig seien "grundsätzliche Korrekturen". Die FDP hat eine Reform der Schuldenbremse bereits ausgeschlossen, auch Scholz klang im Bundestag nicht so, als sei er dazu bereit.
Quelle: ntv.de