Erst sechsmal passiert NATO-Mitglieder aktivieren Artikel 4
24.02.2022, 18:04 Uhr
NATO-Generalsekretär Stoltenberg aktivierte bereits am Morgen die Verteidigungspläne des Bündnisses.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Durch den russischen Einmarsch in die Ukraine fühlen sich Polen, Rumänien und die baltischen Staaten unmittelbar bedroht. Die fünf NATO-Mitglieder aktivieren deshalb Artikel 4 des Bündnis-Vertrags. Das ist in den 70 Jahren seit Gründung der Allianz erst sechsmal geschehen.
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine hat Litauen nach den Worten von Präsident Gitanas Nauseda beantragt, Artikel 4 des NATO-Vertrags zu aktivieren. Diplomaten zufolge erheben auch Polen, Rumänien, Estland und Lettland diese Forderung.
Gemäß Artikel 4 des NATO-Vertrags kann jeder Mitgliedstaat im Fall einer Bedrohung seiner Sicherheit die Einberufung einer Sitzung des NATO-Rates in Brüssel verlangen. Die Bündnispartner sichern sich darin "Konsultationen" in allen Fällen zu, in denen ein Mitglied "seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit" gefährdet sieht. Auf der Sitzung des NATO-Rats muss das Thema zunächst lediglich besprochen werden. Das kann zu gemeinsamen Beschlüssen oder Maßnahmen der NATO führen, muss es allerdings nicht.
Weniger klar definiert als Artikel 5
Der mögliche Anwendungsbereich von Artikel 4 ist somit weniger klar als das in Artikel 5 des Bündnisvertrags fixierte Beistandsversprechen. Dieses gilt für den Fall eines "bewaffneten Angriffs" auf eines oder mehrere Mitgliedstaaten in Europa und Nordamerika. Laut NATO wurde Artikel 4 vor dem russischen Angriff auf die Ukraine in der mehr als 70-jährigen Geschichte der Allianz lediglich sechsmal aktiviert, fünfmal von der Türkei.
Dabei ging es jeweils um Entwicklungen in deren Nachbarländern Irak und Syrien. Wegen der daraus resultierenden Bedrohung der türkischen Bevölkerung startete die NATO in Folge dieser Konsultationen 2003 und 2012 defensive Unterstützungsmissionen. Sie entsandte Einheiten zur Raketenabwehr und Aufklärungsflugzeuge zur Luftraumüberwachung. Den einzigen anderen Fall einer Aktivierung von Artikel 4 gab es 2014 durch Polen im Zuge der damaligen russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim.
Die NATO hatte am Morgen auf Antrag der Militärführung ihre Verteidigungspläne aktiviert. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte nach einer Dringlichkeitssitzung der 30 NATO-Botschafter in Brüssel, damit könne im Notfall auch die Eingreiftruppe NATO Response Force (NRF) eingesetzt werden, um Mitgliedsländer zu schützen. Sie umfasst bis zu 40.000 Soldaten. Es gebe jedoch "keine Pläne, NATO-Truppen in die Ukraine zu entsenden", sagte Stoltenberg. Für Freitag berief das Militärbündnis einen Krisengipfel ein.
Quelle: ntv.de, mau/AFP