Eingreiftruppe für den Osten Nato-Staaten bieten Moskau die Stirn
02.12.2014, 04:47 Uhr
Der Nordatlantikpakt besinnt sich auf seine Rolle als Militärbündnis. Das anstehende Treffen der Nato-Außenminister dreht sich voll und ganz um die neuen Bedrohungsszenarien aus dem Osten. Russland lässt erneut Kriegsschiffe auffahren.
Unter dem Eindruck der Ukraine-Krise wollen die Außenminister der 28 Nato-Staaten bei einem Treffen in Brüssel neue Abwehrmaßnahmen gegen mögliche Bedrohungen aus Russland auf den Weg bringen. Im Mittelpunkt steht dabei der Aufbau einer superschnellen Eingreiftruppe.

Sie bilden das Kernstück der neuen Nato-Eingreiftruppe: Soldatinnen und Soldaten des Deutsch-Niederländischen Korps (Archivbild).
(Foto: picture alliance / dpa)
Die neue Nato-Einheit soll innerhalb weniger Tage verlegt werden können - etwa nach Polen oder in die Bündnisstaaten im Baltikum. Länder wie Litauen oder auch Polen fühlen sich besonders von der russischen Annexions- und Interventionspolitik in Nachbarstaaten bedroht.
Die neue Eingreiftruppe, die unter anderem vom Deutsch-Niederländischen Korps in Münster gestellt wird, soll 2016 einsatzbereit sein. Die Bundeswehr soll bei der Unterstützung der neuen Eingreiftruppe eine Schlüsselrolle übernehmen. Zudem verstärkt die Nato die Unterstützung für die Ukraine und schließt auch eine Mitgliedschaft des Landes nicht aus, wie Generalsekretär Jens Stoltenberg im Vorfeld des Nato-Treffens deutlich machte.
Moskau erhöht die "Sicherheit"
Russland reagierte darauf mit einer unmissverständlichen Geste: Moskau kündigte neue Marinemanöver an. Die Anwesenheit von Zerstörern und Raketenkreuzern werde die "internationale Sicherheit erhöhen", verlautete aus der russischen Hauptstadt. Der Westen sieht das anders und hatte zuletzt eine russische Marineübung im Ärmelkanal kritisiert.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erst zu Wochenbeginn das Nato-Mitgliedsland Türkei besucht und dort engere Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ankara und Moskau geknüpft. In Ankara wurde von russischer Seite überraschend das Ende des Pipeline-Projekts South Stream bekanntgegeben, das russisches Erdgas nach Europa leiten sollte. Putin machte die "Blockadehaltung" der EU für das Aus des milliardenschweren Vorhabens verantwortlich.
Mit dieser Pipeline sollte Gas durch das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort über Serbien bis nach Italien gepumpt werden. Zudem sollte dadurch die Ukraine umgangen werden. Zugleich drohte Putin in Ankara der EU erneut mit der Umorientierung Russlands in Energiefragen. "Russland wird seine Ressourcen in andere Regionen der Welt transportieren. Wir werden andere Märkte erschließen, und Europa wird diese Mengen nicht erhalten - jedenfalls nicht von Russland. Aber das ist die Wahl unserer europäischer Freunde", sagte er.
Feuerpause am Flughafen Donezk
Während sich die Staaten des Nordatlantikpakts auf das Außenministertreffen vorbereitet, zeichnet sich im Osten der Ukraine eine Unterbrechung der schweren Gefechte um den Flughafen von Donezk ab. Nach Angaben der ukrainischen Armee wurde das Feuer dort eingestellt. Aus Kiew hieß es, dies sei die Folge von Verhandlungen zwischen dem ukrainischen General Wolodymyr Askarow und dem russischen General Alexander Lenzow. Anwohner des Flughafens bestätigten, dass seit Montagabend, 20.00 Uhr (MEZ), nicht mehr geschossen werde.
Andrej Purgin, einer der prorussischen Rebellenführer, erklärte, auf dem Flughafen gebe es Verhandlungen "zwischen Militärs". Diese würden am Dienstag in Donezk im "Rahmen der Minsker Vereinbarungen" mit Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) fortgesetzt. Zuvor waren innerhalb von 24 Stunden drei ukrainische Soldaten getötet und 14 weitere verletzt worden, wie der ukrainische Armeesprecher Andrej Lyssenko mitteilte. Genaue Opferzahlen der seit drei Tagen andauernden Kämpfe mit den prorussischen Rebellen waren nach Lyssenkos Angaben zunächst nicht möglich.
Verhandlungen zwischen "Militärs"
Die Ruinen des internationalen Flughafens der ostukrainischen Großstadt sind seit Monaten umkämpft, werden aber weiter von den Regierungstruppen gehalten. Die Stadtverwaltung von Donezk teilte mit, durch Artilleriebeschuss seien 14 Zivilisten verletzt worden. AFP-Journalisten berichteten, die Geschosse hätten ein Wohngebäude schwer beschädigt. Laut Lyssenko wurde Verstärkung nach Staniza Luganska nahe der Rebellenhochburg Lugansk geschickt, da die Rebellen dort schwere Waffen zusammenziehen würden.
In der weißrussischen Hauptstadt Minsk hatten Vertreter Russlands, der Ukraine, der prorussischen Rebellen und der OSZE Anfang September eine Vereinbarung unterzeichnet, die unter anderem eine Waffenruhe, einen Gefangenenaustausch und humanitäre Hilfslieferungen für die Ostukraine vorsieht. Die Waffenruhe war zwar brüchig, wurde jedoch allgemein als Fortschritt gesehen.
Im blutigen Konflikt im Osten der Ukraine wurden seit Mitte April nach UN-Angaben mehr als 4300 Menschen getötet, darunter auch alle 298 Insassen an Bord eines im Juli vermutlich abgeschossenen Passagierflugzeugs von Malaysia Airlines. 930.000 Menschen wurden demnach aus ihren Häusern vertrieben. Allein nach den Minsker Vereinbarungen gab es in der Ostukraine bis zu eintausend Kriegstote.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa