"Statement für Nachhaltigkeit" Öko-König Charles macht Käse in Brandenburg
29.03.2023, 17:29 Uhr
Charles beschäftigt sich seit den 80er Jahren mit ökologischer Landwirtschaft.
(Foto: imago images/i Images)
Käse in eine Form füllen und glatt streichen - das ist die Aufgabe von König Charles bei seinem Besuch im Ökodorf Brodowin in Brandenburg. Neu ist das Metier nicht für ihn, er ist ein Vorreiter der Bio-Landwirtschaft - und wurde dafür verspottet. Seine Naturverbundenheit treibt aber auch bizarre Blüten.
Staatsempfang, Bankett und Rede im Bundestag: Der Besuch des britischen Königs Charles III. in Deutschland hat einige Höhepunkte zu bieten. Fast unscheinbar wirkt da ein Termin am Donnerstag, gleich im Anschluss an eine Visite bei einem deutsch-britischen Bataillon: der Besuch des Ökodorfs Brodowin nordöstlich von Berlin.
Militär und Biohof - das klingt widersprüchlich, dürfte aber für Charles wie Pflicht und Kür sein. Einerseits ist der König Staatsoberhaupt, und ein Besuch bei britischen Militärangehörigen gehört zu seinen Aufgaben. Andererseits ist der anschließende Abstecher zu dem brandenburgischen Ökodorf eine persönliche Herzenssache, die Charles seit Jahrzehnten umtreibt.
Brodowin dürfte dabei nicht zufällig ausgewählt worden sein. Der bei Eberswalde gelegene und zur Gemeinde Chorin gehörende Bauernhof stellte seine Produktion bereits 1990, kurz nach der Wende und dem Ende des LPG-Systems der DDR, auf ökologische Landwirtschaft um. Heute ist das Ökodorf der größte deutsche Betrieb, der Landwirtschaft nach den Prinzipien des Bio-Anbauverbands Demeter betreibt. 160 Milchkühe gehören dazu, 300 Milchziegen und 1800 Hennen, angebaut werden neben 20 Gemüsesorten auch Getreide und Tierfutter.
"Statement für den ökologischen Landbau"
Der Besuch des Königs auf dem 2500 Hektar großen Hof sei eine große Ehre, sagt Katja von Maltzan, die zusammen mit ihrem Mann den Betrieb führt. "Dass der König sich entschieden hat, auf seinem ersten Staatsbesuch nach Brodowin zu kommen, ist ein Statement für den ökologischen Landbau und für Nachhaltigkeit." Von Maltzan nennt Charles einen "Biopionier schlechthin", für den die ökologische Landwirtschaft eine Herzensangelegenheit sei.

Als "Duchy Originals" verkauft Charles zahlreiche Bio-Produkte, etwa Haferkekse, mittlerweile exklusiv über die Supermarktkette Waitrose.
(Foto: REUTERS)
Trotz strammen Terminplans nimmt sich Charles Zeit für das Ökodorf - und macht Käse. "Wir haben gehört, dass der König ein großer Käseliebhaber sein soll", sagt von Maltzan. Daher werde eine eigene Kreation hergestellt, ein Käse nach Tilsiter Art, verfeinert mit Möhrensaft. "Das gibt ihm etwas Süße und eine orangene Farbe - wie beim britischen Cheddar." Bei der Produktion soll Charles laut von Maltzan die Käsemasse mit der Hand in eine Käseform füllen und glattstreichen. Danach müsse der Königskäse - mit Kronen-Prägung - sechs bis acht Wochen reifen, bevor die etwa 150 Laibe verkauft werden.
Erfahrung mit dem Verkauf von Bio-Produkten hat der britische König ausreichend. Bereits Mitte der 80er Jahre - als Bio noch kein Massenphänomen war - gründete er an seinem Landsitz Highgrove House in Gloucestershire die Duchy Home Farm (Duchy steht für Herzogtum), die ausschließlich ökologischen Landbau betreibt. Er begründete seinen Einsatz mit der Sorge vor resistenten Krankheitserregern durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika, musste sich von der Presse aber als Bioprinz verspotten lassen.
Doch der Erfolg gab ihm Recht: Die Bio-Produkte wurden ab 1990 unter dem Namen "Duchy Originals" verkauft, mittlerweile sind es gut 200 Artikel, die unter dem Namen "Waitrose Duchy Organic" in Supermärkten zu haben sind. Gewinne des Betriebs lässt Charles wohltätigen Zwecken zukommen. Wie es mit dem Betrieb weitergeht, ist allerdings unklar, denn 2020 wurde bekannt, dass Charles den Pachtvertrag für die Dutchy Home Farm nicht verlängern würde, unter Verweis darauf, dass er eines Tages König sein und wenig Zeit für den Ökobauernhof haben werde. Ohnehin trägt mittlerweile Thronfolger Prinz William den Titel des Herzogs von Cornwell, zu dem das Highgrove House gehört, das Charles und seine Frau Camilla nurmehr als Mieter bewohnen.
Anhänger der Homöopathie
Der König allerdings bleibt den Themen treu, die er seit den 70er Jahren verfolgt: Ökologie, Nachhaltigkeit, Klimaschutz. Neben der ökologischen Landwirtschaft setzte Charles schon früh Biomasse zur Heizung und Wasserturbinen zur Energiegewinnung ein, später ließ er Solaranlagen auf seinen Anwesen errichten und er benutzt E-Autos. Bei öffentlichen Auftritten etwa auf Weltklimakonferenzen fordert er immer wieder einen stärkeren Kampf gegen den Klimawandel und setzt sich gegen die Abholzung von Regenwäldern ein. Diesem Thema dient im Rahmen des Staatsbesuchs ein Empfang in Schloss Bellevue zu Energiewende und Nachhaltigkeit.
Doch auch wenn Charles mittlerweile als Pionier des ökologischen Landbaus und Klimaschützer gewürdigt wird - seine Naturverbundenheit gibt auch Anlass für Kritik. Das liegt weniger an exzentrischen Aussagen über die Kommunikation mit Pflanzen: "Ich spreche gerne mit den Pflanzen und Bäumen und höre ihnen zu. Ich denke, das ist absolut wichtig." Alles, was er gemacht habe, sei fast wie mit den eigenen Kindern gewesen. "Jeder Baum hat eine Bedeutung für mich", sagte er einmal in einer Dokumentation der BBC.
Problematischer ist da schon sein Interesse an sogenannter alternativer Medizin, vor allem an Homöopathie. Diese hat im britischen Königshaus Tradition, schon als Kind wurde Charles mit Globuli behandelt. Obwohl zahlreiche Studien nachweisen, dass homöopathische Methoden keinerlei Wirkung haben, forderte er etwa deren Integration in den National Health Service. Über sein Bio-Label vermarktete er auch Nahrungsergänzungsmittel zur "Entgiftung" - Gesundheitsexperten unterstellten ihm daraufhin wissenschaftlich unhaltbare Behauptungen.
Der Mediziner Edzard Ernst, der zu einer Art Intimfeind von Charles wurde, sprach damals von "völliger Quacksalberei" und warf dem König Wissenschaftsfeindlichkeit vor. Er sieht bei ihm einen Zusammenhang zwischen ökologischer Landwirtschaft und Alternativmedizin: Charles liebe "alles Natürliche und Naturverbundene", sagte er im vergangenen Jahr dem "Spiegel". Charles sei fest davon überzeugt, dass von "Mutter Natur" nur Gutes kommt. "Mit einer tiefen Verbundenheit des Menschen mit der Natur - und nicht mit physikalischen Computermodellen - begründet Charles übrigens auch sein Engagement gegen den Klimawandel", sagte Ernst. Der König sei "durchdrungen von dieser magischen Verehrung der Natur. Das ist das Denkgebäude, das fast all seine Überlegungen bestimmt."
Quelle: ntv.de, mit dpa