Milliarden für die Ukraine? Oligarchen wollen sich von Sanktionen freikaufen
24.05.2022, 18:50 Uhr
Die "Dilbar", 156 Meter lange Superjacht des Oligarchen Alischer Usmanow liegt derzeit beschlagnahmt in Hamburg.
(Foto: picture alliance/dpa)
Laut der kanadischen Finanzministerin Chrystia Freeland wollen sich russische Oligarchen von Sanktionen freikaufen. Die Idee: Mit den dadurch eingenommenen Milliarden soll der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg mitfinanziert werden. Die G7-Staaten wollen über die Idee wenigstens beraten.
Der Wiederaufbau der durch den russischen Überfall zerstörten Teile der Ukraine wird unabhängig von Fort- und Ausgang des Krieges Hunderte Milliarden Dollar kosten. Wie das "Handelsblatt" schreibt, soll es im Kreis der G7-Staaten den Gedanken geben, russische Oligarchen-Milliarden dafür einzusetzen. Demnach habe die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland ihren Ministerkollegen im Rahmen der jüngsten Zusammenkunft der G7-Finanzminister von einem Vorschlag mehrerer schwerreicher Russen berichtet: Die sanktionierten Oligarchen könnten demnach namhafte Teile ihrer Milliardenvermögen dem Westen überlassen, die dann in den Wiederaufbau der vom russischen Angriff zerstörten ukrainischen Infrastruktur eingesetzt werden sollten. Im Gegenzug wollten sie von sämtlichen Sanktionslisten verschwinden.
Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf mehrere Teilnehmer des G7-Finanzministertreffens auf dem Bonner Petersberg in der vergangenen Woche schreibt, habe Freeman die Ideen der Oligarchen nur informell vorgebracht, aber "man könne ja darüber nachdenken". Genau das soll nun im Kreise der G7 passieren. Russische Oligarchen waren im Laufe des Krieges auf zahlreichen Sanktionslisten westlicher Staaten und Institutionen gelandet, Vermögenswerte wurden beschlagnahmt, Reisefreiheit eingeschränkt und geschäftliche Verbindungen in den Westen deutlich erschwert oder abgebrochen.
"Eingefrorene russische Vermögenswerte" für den Wiederaufbau
Wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selesnkyj am Montag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in einer Ansprache an die Teilnehmer erklärt hatte, werde sein Land monatlich fünf Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) benötigen, Premierminister Denys Schmyhal hatte die Kosten bereits im April auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington auf 600 Milliarden Dollar veranschlagt. Bis Anfang Mai hatten die EU-Staaten seit Kriegsbeginn private russische Vermögenswerte im Gesamtwert von zusammen etwa 30 Milliarden Dollar beschlagnahmt.
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in Davos erklärt, man wolle für den Wiederaufbau der Ukraine "wenn möglich auch russische Vermögenswerte" einsetzen, "die wir eingefroren haben". Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, der das ermöglichen würde, legt die Brüsseler Behörde am Mittwoch vor. Möglich werden soll dies durch einen Vorschlag an die EU-Staaten, die Umgehung von Sanktionen in die Liste der EU-Verbrechen aufzunehmen.
Lindner und Baerbock haben Bedenken
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt gefordert, Gesetze zu verabschieden, um Vermögenswerte des russischen Staates zu beschlagnahmen und der Ukraine für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung zu stellen. Ein "Deal" mit den Oligarchen, wäre eine Art Abkürzung, um an ihr Geld für den Wiederaufbau zu kommen, man müsse aber "alle Risiken abwägen, rechtliche und auch moralische", wie es laut "Handelsblatt" aus einer Hauptstadt heißt. Das "Handelsblatt" zitiert den FDP-Europapolitiker Moritz Körner: "Die Idee ist charmant, auch wenn es zunächst wie ein moderner Ablasshandel erscheint." Die Oligarchen, die zumeist im Westen leben, könnten ihren Teil zum Wiederaufbau der Ukraine beitragen. "Es müsste allerdings um einen signifikanten und schmerzhaften Anteil ihres Vermögens gehen, damit eine hohe Summe zusammenkommt und der Ukraine wirklich geholfen werden kann", fordert Körner.
Der Weg zu einer entschädigungslosen Enteignung russischer Oligarchen ist juristisch lang und kompliziert, "wir müssen die Rechtsstaatlichkeit respektieren, auch wenn wir es mit russischen Oligarchen zu tun haben", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner jüngst. Deutschland sei zwar offen für eine Debatte darüber, beschlagnahmtes russisches Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen. Man müsse aber zwischen Mitteln des Staates - wie etwa der Zentralbank - und privaten Mitteln unterscheiden. "In unserer Verfassung gibt es Garantien für Privatvermögen", sagte der FDP-Politiker. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte bereits juristische Bedenken geäußert.
Quelle: ntv.de, ter