Politik

Keine Flüchtlinge für Ungarn Orban bewegt sich nicht - warum auch?

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Viktor Orban und Angela Merkel im Kanzleramt.

(Foto: dpa)

In der Flüchtlingspolitik hat Kanzlerin Merkel in den vergangenen Monaten durchaus Beweglichkeit bewiesen. Ungarns Präsident Orban jedoch will ihr kein Stück entgegenkommen und erhöht damit den Druck.

Es muss eine schwierige Diskussion gewesen sein zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ungarischen Präsidenten Viktor Orban. Denn anders ist es nicht zu erklären, wie die anschließende Pressekonferenz abgelaufen ist. Normalerweise betont Merkel bei diesen Statements nach Treffen mit ausländischen Staatsgästen Gemeinsamkeiten, zeigt Perspektiven auf, verbreitet Optimismus. Das hat sie dieses mal - ganz kurz - auch getan. Aber dann offenbaren sich die tiefen Differenzen.

"Die Sichtweisen sind doch sehr unterschiedlich", sagt Merkel. "Das sind Sätze, die streng klingen. Aber wir pflegen es, mit unseren Freunden ehrlich zu sein", beschreibt es Orban. Ob die beiden bei der Frage nach möglichen Rückführungsabkommen weitergekommen sind, thematisieren sie erst auf Nachfrage eines Journalisten. "Ungarn fühlt sich nicht verantwortlich", das sei eines der "Probleme", sagt die Kanzlerin. "Ungarn fühlt sich im Sinne von Dublin nicht zuständig."

Das ist in etwa die Position, die Orban schon vor dem Treffens skizziert hatte: Sein Land habe keinerlei Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen, da diese Ungarn gar nicht betreten könnten, ohne zuvor in einem anderen Staat EU-Boden überquert zu haben. Das hatte er am Mittwoch bereits Innenminister Horst Seehofer klargemacht.

"Das ist Solidarität"

Und von dieser Position hat er sich keinen Millimeter bewegt. "Unser Standpunkt ist unverändert", sagt Orban, es sei "unmöglich, dass irgendjemand geltende Gesetze umgeht und Ungarn betritt". Seinen Beitrag leiste das Land, indem es niemanden reinlasse. "Wir nehmen dadurch Deutschland Last von den Schultern." Und es sei "unfair", dass besonders hierzulande immer wieder kritisiert werde, Ungarn zeige "mangelnde Solidarität", so Orban. Schließlich seien rund 8000 Grenzsoldaten 24 Stunden täglich im Einsatz, um die Südgrenze des Landes zu schützen. Und Ungarn werde die Grenze weiter schützen, "das habe ich der Kanzlerin versichert", sagt der Mann aus Budapest. "Das ist Solidarität."

Es ist aber nicht die Form von Solidarität, die sich die Kanzlerin wünscht. Ihr und der Union wäre damit geholfen, wenn sich Ungarn verpflichten würde, dort registrierte Flüchtlinge zurückzunehmen. Wenigstens einige. Doch in diesem Punkt verweigert sich Orban komplett. Stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage Merkel beim EU-Gipfel bekannt gegeben hatte, sie hätte sich mit Ungarn auf ein eben solches Abkommen einigen können.

Merkel versucht es mit ein wenig Anerkennung: Es sei ja auch "wichtig", dass Ungarn als Schengen-Außenstaat die Kontrolle über die Grenze habe. "Das Problem, was ich sehe", sagt sie, "ist, dass wir immer daran denken müssen, dass es um Menschen geht". Europa habe eine Grundaussage namens Menschlichkeit.

Doch selbst bei dieser Frage gibt es zwischen den beiden Regierungschefs Interpretationsspielraum. Denn auch die Frage, wie man "human helfen" könne, beantworte man unterschiedlich, sagt Orban. Wenn man Grenzen öffne, sende man ein Signal, das Menschen anlocke. "Wir glauben, dass kein Pull-Faktor zum Tragen kommen darf", sagt Orban. Die Grenzen sollten geschlossen und vor Ort geholfen werden, das sei menschlich. "Wir wollen keine Probleme importieren, das ist der Unterschied."

Orban kann seinen Kurs getrost weiterverfolgen

Eine Überraschung ist es freilich nicht, dass Merkel und Orban auf unterschiedlichen Standpunkten stehen. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegungen nach Europa 2015 entschied sich Merkel gegen eine Grenzschließung, als zehntausende Flüchtlinge von Ungarn nach Österreich weitergeleitet wurden. Die ungarische Regierung brachte sie damals sogar mit Bussen zur Grenze. Merkel selbst kritisierte Orbans Flüchtlingspolitik scharf, beschrieb sie als "nicht akzeptabel".

Doch seitdem ist viel passiert: Merkels Union versucht seit einer Weile, einen restriktiveren Kurs in der Flüchtlingspolitik zu verfolgen. Anerkennung dafür bekommt die Kanzlerin von Orban bei diesem Treffen allerdings nicht. Warum auch? Orban möchte, wenn irgendwie möglich, alle Flüchtlinge aus Ungarn heraushalten, das hat er deutlich gemacht. Und er erhöht damit den Druck auf den deutschen Innenminister Horst Seehofer, der sich heute mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz über mögliche Rückführungsabkommen unterhalten hat.

Eine erste Einigung gibt es bei dem Treffen: Kurz und Seehofer wollen die Südroute für Flüchtlinge über Italien und Österreich komplett schließen. Sollten die beiden in den kommenden Wochen darüber hinaus auch bei Rückführungen eine Einigung erzielen, könnte Ungarn auch darüber nachdenken. Vielleicht. Erst "wenn wirklich Klarheit über die deutsche Position herrscht", nach einem Deal mit Österreich, könne es zwischen Berlin und Budapest zu Verhandlungen kommen, hatte Orban vorab betont.

Und in Österreich ist die Stimmung, was die Rücknahmen von Flüchtlingen angeht, eindeutig: Kurz hatte vor dem Treffen mit Seehofer klargemacht, dass sein Land keine Flüchtlinge akzeptieren wird, deren Ankunftsstaat sich weigere, sie aufzunehmen - also etwa Ungarn. Orban dürfte das recht sein. Seine Politik, keinen einzigen Flüchtling zurückzunehmen, kann er so getrost weiterverfolgen.

Quelle: ntv.de

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