Politik

Warnung vor Verallgemeinerungen Ostbeauftragter: Demokratische Praxis ist vielen fremd

Corona-Demonstration in Magdeburg: "Politische Einstellungen und Haltungen werden oft vererbt", so Schneider.

Corona-Demonstration in Magdeburg: "Politische Einstellungen und Haltungen werden oft vererbt", so Schneider.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

In den Köpfen vieler Ostdeutscher sei noch immer ein Autoritätsdenken aus der DDR verankert, sagt der neue Ostbeauftrage Schneider. Trotzdem warnt er davor, etwa Teilnehmer der Corona-Proteste zu pauschalisieren. Der SPD-Politiker fordert auch die Westdeutschen zu mehr Offenheit auf.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, geht davon aus, dass autoritäre politische Haltungen aus DDR-Zeiten vielfach bis heute weiterwirken, warnt aber vor Verallgemeinerungen. "Politische Einstellungen und Haltungen werden oft vererbt und weitergegeben", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

"Viele Menschen sind 1989 auf die Straße gegangen und haben damit die friedliche Revolution erst möglich gemacht. Aber die demokratische Praxis des Aushandelns von Kompromissen ist ihnen fremd geblieben. Das lässt sich an den Mitgliederzahlen der Parteien ablesen - oder wenn ich in einem Ortsteil einen Bürgermeister suche." Deshalb wolle er, "dass besonders junge Menschen sich trauen, ihren Blick auf die Welt zu weiten".

Schneider stellte zugleich klar, dass er die Herangehensweise seines Vorgängers Marco Wanderwitz, der die AfD und deren ostdeutsche Wähler oft frontal attackiert hatte, nicht teile. "Man muss zwar klar sagen, was ist", sagte er dem RND. "Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, als würde man Leute aufgeben oder beleidigen."

"Mehrheit ist nicht extremistisch"

Das gelte auch für die aktuellen Demonstrationen. "Für viele ist der Gang auf die Straße ihre zentrale politische Ausdrucksweise - eher noch als die Wahl. Rechtsextremisten versuchen das zu instrumentalisieren. Gewalt und Drohungen dürfen dabei kein Mittel sein", so Schneider. Aber die Mehrheit der einfachen Demonstrationsteilnehmer sei nicht extremistisch.

Die Westdeutschen forderte der SPD-Politiker auf, "offen zu sein und neugierig, nicht vorurteilsbeladen. DEN Osten gibt es im Übrigen gar nicht. Schon Leipzig und Dresden sind unterschiedlich. Ländliche Regionen sind wieder ganz anders. Holzschnittartige Bilder wie etwa jene, dass der Osten rechtsextrem sei, passen nicht. In meinem Wahlkreis haben 85 Prozent der Bürger demokratische Parteien gewählt."

"Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen"

Schneider betonte zudem, dass die ostdeutsche Wirtschaft Zuwanderer brauche. "Wir müssen in Ostdeutschland viele Arbeitsplätze neu besetzen", sagte er dem RND weiter. "Die Preußen haben sich seinerzeit die Hugenotten eingeladen. Ohne Zuwanderung wird es auch heute in Ostdeutschland nicht gehen. Das begreifen die Unternehmen zunehmend, weil sie schlagartig keine Arbeitskräfte mehr finden. Da hat sich vieles bereits deutlich verbessert."

Er fügte hinzu: "Mitte der 1990er-Jahre hätte ein Pole in Erfurt Probleme gehabt. Damals galt er als Ausländer. Heute leben in Erfurt Tausende Polen, und das ist überhaupt kein Problem mehr. Das ist ein großer Fortschritt. Man muss auch mal das Positive sehen."

Quelle: ntv.de, mdi

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