Kein Alleingang der Regierung Parlament darf bei Brexit mitreden
03.11.2016, 11:10 Uhr
Palace of Westminister: Hier tagt das britische Parlament.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die britische Regierung kann den Brexit nicht alleine durchbringen. Auch das Parlament muss miteinbezogen werden, entscheidet ein Gericht in London. Das Urteil könnte den bisherigen Zeitplan für den Brexit durcheinanderbringen.
Die britische Premierministerin Theresa May muss die Zustimmung des Parlaments für die geplanten EU-Austrittsverhandlungen mit Brüssel einholen. Das entschied der Londoner High Court. Die britische Regierung kündigte an, das Urteil anzufechten. Beobachter rechnen damit, dass sich der Beginn der Austrittsverhandlungen nun erheblich verzögern könnte. Am 23. Juni hatten die Briten in einer historischen Abstimmung für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt. Die Verhandlungen mit der EU darüber sollten spätestens Ende März nächsten Jahres beginnen.
May hatte eine Abstimmung im Parlament über den Beginn der Austrittsverhandlungen gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrags bislang ausgeschlossen. Das sei "ausschließlich Sache der Regierung". Das Parlament werde aber "zu Wort kommen", hatte sie angekündigt. Sollte das Urteil bestätigt werden, könnte es dem Parlament einen mächtigen Hebel in die Hand geben, um die Verhandlungsstrategie der Regierung über den EU-Austritt zu beeinflussen. Brexit-Befürworter befürchten gar, der Ausstieg des Landes könne ganz vereitelt werden. Die Mehrheit der Abgeordneten in beiden Kammern gilt als Brexit-Gegner.
Als Klägerin trat unter anderem die Investmentmanagerin Gina Miller auf. Sie hatte argumentiert, das Parlament dürfe bei einer weitreichenden Entscheidung wie dem Austritt aus der EU nicht umgangen werden. Die Gegenseite berief sich dagegen auf die Entscheidung des britischen Volkes beim EU-Referendum.
"Ich bin dem Gericht dankbar für das Ergebnis, dies ist ein Sieg für die parlamentarische Demokratie", sagte einer der Kläger, Grahame Pigney. "Ich hoffe jetzt, dass jeder die Gerichtsentscheidung respektiert."May hatte den Klägern vorgeworfen, den Austrittsprozess verhindern zu wollen.
Johnson zu Antrittsbesuch in Berlin
Auch aus Mays Fraktion fordern viele Abgeordnete eine Mitsprache über die Verhandlungsstrategie der Regierung. Das lehnte May bislang mit dem Argument ab, eine öffentliche Debatte im Parlament über die Brexit-Strategie der Regierung schade deren Verhandlungsposition. Es werde "keine laufenden Kommentare" zum Prozess der Brexit-Verhandlungen geben.
Das Gerichtsurteil dürfte auch Thema beim Antrittsbesuch des britischen Außenministers Boris Johnson in Berlin sein. Johnson trifft sich an diesem Freitag unter anderem mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Keine Kursänderung erwartet
Der SPD-Politiker Axel Schäfer glaubt nicht, dass die Einbeziehung des britischen Parlaments den Austritt aus der EU noch verhindern wird. "Ich erwarte nicht, dass das Unterhaus den Brexit-Prozess aufhalten wird, für den es eine Mehrheit im Referendum und in der jetzigen Regierung gibt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Es sei Aufgabe der Premierministerin Theresa May, eine Mehrheit im Unterhaus für ihren Kurs zu organisieren.
Auch der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Gunther Krichbaum, erwartet keine Kursänderung. "Wir müssen zunächst das Urteil des Supreme Courts abwarten", sagte der CDU-Politiker. Er persönlich glaube nicht, dass der Supreme Court den Klägern recht geben werde. Zudem würden sich die Parlamentarier wahrscheinlich nicht gegen das Ergebnis des Brexit-Referendums stellen wollen.
Quelle: ntv.de, hul/rts/AFP/dpa